Wo das beständige Streben, nach außen sich zu verbreitern und in fremden Ländern sich Rechte, Besitz und Schätze zu erwerben, die Seele aller Tätigkeit war, da konnten mannigfaltige Veranlassungen zum Streit nicht fehlen. Dem Handelsgeist galt der Gewinn oft mehr, als das Recht. Gelockt durch die Verhältnisse des Auslandes, kühn im Bewusstsein der Kraft und des Übergewichtes an Kenntnissen und Reichtümern, ermuntert durch den glücklichen Erfolg, steigend in Hoffnungen, Forderungen und Versuchen durch die erlangten Vorteile, ging man häufig zu weit in seinen Ansprüchen. Kein Wunder, dass Gemeinen, Völker und Regenten diese ungern ertrugen und wo sie konnten es wagten, die Einmischungen der Fremden zurück zu weisen, zu beschränken und zu vereiteln oder Gleiches mit Gleichem zu vergelten. Der vorglänzende Reichtum der Deutschen Städte, vor allem Lübecks, erregte den Neid der Nachbarn und machte die Herrscher lüstern nach deren Besitz. Die Denkungsart der Zeit suchte Ehre in Kampf und Raub. Daher musste Lübeck von Anfang an oft für sein Dasein und seine Freiheit mutig kämpfen. Die Angriffe mächtiger Feinde mussten abgeschlagen, sie selbst auf alle Weise gedemütigt oder geschreckt werden. Es gelang meistens durch unerschütterliche Vaterlandsliebe, durch die Kühnheit und Ehrbegierde der Anführer und die Hilfe treuer Bundesgenossen. Was die Schlacht bei Bornhöved begründet, was Klugheit und Tapferkeit befestigt und vermehrt hatten, das musste man bewahren und mit Gut und Blut verteidigen.
Daher erneuerten sich vorzüglich die Reibungen mit Dänemark fortwährend, so lange man diesem benachbarten Reich noch die Spitze bieten durfte. Der Streit mit Woldemar III., seit 1361 wegen Wisbys Plünderung begonnen, verursachte Kopenhagens Verwüstung und erwarb der Hanse große Handelsvorteile, auch nach Waldemars Vertreibung (1370) den Besitz und die Einkünfte Schonens auf fünfzehn Jahre. Kapereien und Strandrechte ließen die Waffen nicht ruhen. Weniger glücklich war der Kampf, seit 1426, mit Erich VII., der durch Anlegung der Feste Helsingör den Sund sperrte und hohe Zölle erzwang. Des Bürgermeisters Tiedemann Stein voreilige Rückkehr mit den Schiffen und Kapereien zogen den Verlust von 36 Fahrzeugen nach sich. Das Auslaufen einer neuen Flotte von 260 Segeln mit 12000 Kriegern, die Vitaliner nicht mitgerechnet (1428), eine zweimalige Plünderung Bergens und die Streifereien in Jütland, konnten den Schaden nicht ersetzen. Erst im Frieden zu Vordingborg (17. Juli 1435) sicherten Lübeck, Hamburg, Wismar und Lüneburg ihre Handelsrechte. Friedlicher lebten sie mit Christian, der sich gegen Gerhard von Oldenburg mit Lübeck und Hamburg 1470 verbündete, diesen Städten die Bewahrung Flensburgs für 56500 Mark übertrug und das Geschmeide seiner Gemahlin zu Lübeck versetzte. Ähnlichen Bund suchte und erhielt Johann 1484 vom Bischof Albrecht zu Lübeck. Doch brach mit ihm 1501 ein Krieg aus, den unsere Stadt allein führen musste. Ungeachtet siegreicher Gefechte zur See (bei Bornholm am 9. August und bei Heel am 14. August 1511), Brandschatzungen und erbeuteter Fahrzeuge, litt sie viel durch Plünderung ihres Gebietes und Verlust an Geld und Mannschaft: auch fühlte sie schmerzlich die Folgen der Eifersucht der nordischen Mächte, welche sich den Holländern anschlossen. Doch stellte der Friede bei Malmö (23. April 1512) freie Handlung und Schifffahrt wieder her. Christians II. Maßregeln zur Beschränkung des Handels durch Verbote, Auflagen (1515) und Kopenhagens Erhebung, warfen neue Funken in den noch glimmenden Zunder. Sein Zorn entbrannte, da Lübeck (1520) seinen entflohenen Gegner Gustaph Wasa aufnahm und zur Wiedereroberung seines Reichs unterstützte1, wodurch die Dänen Stockholm zu räumen genötigt wurden, das Gustaph aus den Händen zweier lübeckischer Ratsherren wieder empfing. Aus Dankbarkeit für die siegreiche Hilfe, welche die Stadt Friedrich I. zur Eroberung Kopenhagens leistete, erhielt sie 1526 den Besitz Bornholms auf fünfzig Jahre; 1576 kam die Insel wieder unter Dänische Herrschaft2.
Nach Friedrichs I. Tod (1533) wiegelte Wollenweber den Grafen Christoph von Oldenburg auf, sich der Regierung zu bemächtigen und Meyer unterstützte ihn mit lübeckischen Truppen, Holstein zu verheeren und mit Schiffen in Dänemark zu landen. Daraus entstand die Holsteinische Fehde (1534), weil der Herzog Christian mit Dänemark im Bunde war. Die Verbrennung von Travemünde war die Folge derselben. Der Herzog, erbittert über das Schicksal seines Landes, verfolgte Christoph, der sich in diesem Hafen einschiffte, bis an denselben. Allein damit die Holsteiner hier nichts finden sollten, waren alle Einwohner mit ihren Gütern nach Lübeck gezogen und das Städtchen wurde von des Grafen Völkern, mit Genehmigung des Rats, angezündet. Nur die Müggenburg, wo Christian sich festsetzte, ward von der Seeseite vergebens angegriffen. Aber das Stadtgebiet musste es durch schreckliche Verheerungen entgelten. Nach einem Zug vor Mölln drang Christian vom jenseitigen Ufer der Trave bis an die Mauern. Ein unglückliches Gefecht auf dem Burgfeld (10. November) veranlasste den Frieden, der (18. November) zu Stockelsdorf geschlossen wurde. Wollenwebers Gefangennahme änderte des Rats Gesinnungen und der Friede zu Hamburg (14. Februar 1536) machte auch der Dänischen Fehde ein Ende.
So tätig Lübeck für die Ruhe Schwedens mitgewirkt und Gustaph beschützt hatte, so erweckte der Handelsvorteil doch bald gegenseitige Unzufriedenheit, die unter Erich XIV. 1563 in offene Kriegserklärung überging, an welcher Friedrich II. von Dänemark teilnahm. Dieser Kampf ward für Lübeck desto schwerer, da die übrigen Städte die verlangte Hilfe verweigerten. Das wechselnde Kriegsglück, Verluste an Schiffen durch Kapereien und Stürme und große Einbuße an Mannschaft durch Schlachten und Krankheiten, konnten dennoch den Eifer nicht ermüden. Dreimal erneuerte bis 1569 Lübeck seine Flotte, mit großen Anstrengungen und ungeheuren Kosten3. Doch nach Erichs Thronentsagung und bei seines Nachfolgers Johann III. friedliebenden Gesinnungen kam im November 1570 der Stettiner Friede zustande. Und diese Fehde war die letzte. Denn die Lage der ganzen Hanse und ihres Hauptes gestatteten es nicht mehr, das Glück der Wetten zu versuchen.
Einen früheren Krieg mit England (1468) zur Abwendung der Gewalttätigkeiten, welche, auf einen unbegründeten Verdacht, den deutschen Kaufleuten zu London widerfahren waren, schlichtete der Friede zu Utrecht 1474, mit Wiederherstellung der alten Rechte und Schadenersatz. Die Eifersucht gegen die Holländer, deren Teilnahme an dem nordischen Handel Lübecks Verkehr und Einfluss bedrohte, reizte die Bürger 1533, ihre Nebenbuhler mit Gewalt aus der Ostsee zu vertreiben. Besonders Wollenweber beredete sie dazu, sogar die silbernen und goldenen Gefäße und Kleinodien aus der Marien-Kirche zur Bestreitung der Kosten zu verkaufen und die Leuchter zu Kanonen umzugießen. Mehrere kreuzende Geschwader richteten gegen die vorsichtigen Feinde nichts aus und der Unruhstifter versöhnte sich mit ihnen im folgenden Jahre auf einer Tagefahrt zu Hamburg.
Die zweijährige Fehde mit Mecklenburg (1505), welche aus einem Streit mit berauschten Bauern bei Dissau entstand und nur gegenseitige Plünderung, Brand der Dörfer und Beraubung der Reisenden bewirkte, wurde 1508 wieder beigelegt.
Wie hoch steht Lübeck in diesen Anstrengungen für seine Ehre und seinen Vorteil! Wie ehrenwert erscheint seine Kraft in der Tapferkeit und dem beharrlichen Mut des freien Bürgersinns und sein Reichtum in den Summen, die es für diese Zwecke verwenden konnte! Die Zeit setzte dem reißenden, übertretenden Strom Dämme entgegen, drängte ihn in engere Ufer zurück und ließ die reichen Zuflussquellen zum Teil versiegen oder leitete sie ab nach anderen Gegenden. Doch bleibe der stärkeren Vorzeit ihr Ruhm in der Erinnerung; Ruhe und Friede sei das Glück der Gegenwart!
1 Diese Unterstützung mit 18 Schiffen (1522) kostete Lübeck beträchtliche Summen, zu welchen der Rat 39938, und die Bürgerschaft 30903 Taler gegeben hatte.
2 Unbegründet ist die Sage, als ob ein Lübeckischer, nach Kopenhagen gesandter Bürgermeister, für die Ehre mit der Königin zu tanzen, sie hingegeben und deswegen mit seinem Leben habe büßen müssen. Die Veranlassung zu dieser Behauptung gab die Inschrift eines Bechers unter dem ehemaligen Silbergeschirr, auf welchem die Worte gegraben waren: „Dar tanzt Bornholm heu.“
3 Diese betrugen 295068 Taler Species und der Verlust an Gütern und Schiffen belief sich unter Erichs Regierung auf 102.469, unter Johann aber auf 100.000 Taler. Außerdem hatten die Lübecker an Erich für Zufuhr 57.425 und für eingezogene Schuldforderungen an denselben 46.354 sowie an Johann 1.786 Taler eingebüßt. Ein versprochener Ersatz von 70.000 Talern Species ward gleichfalls nicht geleistet. Welche Summen für die damalige Zeit! In einer Schlacht nach der zweiten Rüstung bei Rügen wurden der Hauptmann König und der Fähnrich von Senftenberg schwer verwundet und starben bald darauf. Eine gut gemalte, noch vorhandene Tafel in der Petri-Kirche wurde zu ihrem Andenken dort aufgestellt.
Quelle Text und Bild: Ansichten der freien Hansestadt Lübeck und ihrer Umgebungen von Heinrich Christian Zietz 1822.
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