Damit jeder imstande ist, sich einen klaren Begriff davon zu machen, in welchem Umfang der Hexenwahn als Vorwand dienen musste, Unschuldige auf die peinlichste Weise vom Leben zum Tode zu bringen, um ihr Eigentum „von Amtswegen“ zu rauben, wollen wir nach den Akten einer ganz kleinen Stadt eine Zusammenstellung der von ihrem Gericht verbrannten Hexen geben. Wir wählen dazu diejenige Gegend von Deutschland, wo man verhältnismäßig am wenigsten ins Anzünden der Scheiterhaufen verliebt war, nämlich die südwestliche Ecke des Deutschen Reiches, und greifen hier nur das kleine Nest Offenburg heraus.
Die Ratsbücher von Offenburg haben zahlreiche Notizen aufbewahrt. Im Jahr 1627 fing hier das Unwesen erst an.
Wenigstens sind von früheren Hexenbränden keine Nachrichten mehr vorhanden. In Ortenberg hatte man Hexen auf der Folter, welche zu der Erklärung veranlasst wurden, auch mehrere namentlich
bezeichnete Offenburgerinnen auf dem Blocksberge gesehen zu haben. Natürlich wurde eine so schreckliche Neuigkeit sofort nach Offenburg berichtet und die dortige hochweise „Obrigkeit“ hatte, wohl
um zu zeigen, dass sie „von Gott“ sei, nichts Eiligeres zu tun, als die unschuldigen Leute auf der Stelle verhaften zu lassen.
Letztere waren dadurch selbstverständlich im höchsten Grad überrascht und bestritten ganz entschieden, je den Blocksberg oder den ehrsamen Meister Satan gesehen zu haben. Da legte man sie ohne
Weiteres auf die Folter und weil die Folterkammer von löblichem Krähwinkel Offenburg nicht alle Gerätschaften besaß, welche zum ganz raffinierten Zerfleischen menschlicher Glieder und zur Führung
von Hexenprozessen en gros als erforderlich galten, so wurden diese edlen Instrumente, vor allen ein gut mit Stacheln gespickter und mit Heizvorrichtung versehener Hexenstuhl, schleunigst
angeschafft.
Dann ging es an die Arbeit, und zwar rasch. Am 1. Dezember 1627 wurden schon drei Frauen, weil sie mit dem Teufel gebuhlt, Menschen, Vieh und Feldfrüchte bezaubert, verurteilt, lebendig verbrannt
zu werden. Am 20. Dezember wurde über fünf andere das gleiche Urteil gefällt und am 12. Januar 1628 bestiegen schon wieder fünf den Scheiterhaufen, also dreizehn Stück in sechs Wochen in einem
Nest von damals kaum dreitausend Einwohner. Man hatte die Unglücklichen solange gefoltert, bis sie bekannten, und wo eine sich standhaft zeigte, Tag auf Tag die ganze Tortur vier bis sechsmal
wiederholt, bis alles zugegeben wurde, was man verlangte. Dabei nahm man auch sofort Bedacht darauf, reiche und wohlhabende Frauen und Mädchen auszusuchen, damit es möglichst viel zu konfiszieren
gab. Die am 12. Januar 1628 verbrannten fünf „Hexen“ besaßen jede ein bedeutendes Vermögen. Deshalb wirkten hier auch Pfaffen und Juristen treulich zusammen, um das Volk gegen die „Hexen“ zu
fanatisieren. Mitte Januar zogen fremde Truppen in die Stadt ein, deren Anwesenheit Magistratus zu schweigen und sich ganz ruhig zu verhalten hatte. Kaum waren aber die Soldaten Anfang Juni 1628
abgezogen, da zog man auch sofort wieder „Hexen“ ein.
Am 14. Juni 1628 wurden schon wieder drei zum Scheiterhaufen verdammt, welche die Folterqualen zum Bekenntnis gebracht, mit dem Teufel Kinder gezeugt zu haben. Doch vor dem Scheiterhaufen
widerrief eine derselben, in den Akten „die Ursula“ genannt, und schwor bei allem was heilig ist, dass sie keine Hexe sei und nie mit dem Teufel zu tun gehabt hatte. Da schleppte die angeblich
„von Gott gesetzte Obrigkeit“ die Unglückliche wieder in die Folterkammer und „arbeitete“ dort so fleißig, dass die Ursula schon nach zwei Tagen ebenfalls verbrannt werden konnte, nachdem sie ihr
Bekenntnis erneuerte. Unter den „Hexen“, welche man jetzt vornahm, befand sich ein ganz junges Mädchen. Dieses setzte man am 30. Juni mittags auf den Hexenstuhl und ließ es dort, wie gewöhnlich,
in der Qual den ganzen Nachmittag und die Nacht hindurch sitzen. Nach fast zwölf Stunden, gegen Mitternacht, starb das Kind, nachdem es standhaft bei der Versicherung seiner Unschuld geblieben
war. Und da verfügte trotzdem der hochweise Rat, dass man die „Hexe“, welcher der Teufel den Hals umgedreht, damit sie nicht etwa noch ihre Genossinnen verrate, unter dem Galgen begrabe.
Weiterlesen: Die Macht der Geistlichen im 13. Jahrhundert
Quelle Bilder: "Die Folter in der deutschen Rechtspflege sonst und jetzt" von Quanter, Rudolf, 1900
Textquelle: Geschichte der Hexen und Hexenprozesse, ISBN: 978-3746786117
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