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Der Handschuh

Die Erfolge, welche die Waffenschmiede in dem Bestreben, einen so wichtigen Körperteil, wie es die Hand ist, zu schützen, waren bis ins 13. Jahrhundert äußerst gering. Im 11. Jahrhundert staken die Hände in gefingerten Handschuhen aus dickem Leder mit kaum 5 cm breiten Stulpbesätzen. Gegen Anfang des 13. Jahrhunderts, als der Haubert aus mit Ringen bedeckten Schnüren in Gebrauch kam, waren die Ärmel vorn geschlossen, die Hände steckten wie in einem Sack, nur die Innenflächen derselben blieben von der Ringdecke frei, sodass an dieser Stelle die Lederfläche sichtbar blieb. Eine Bewegungsfreiheit besaß nur der Daumen, welcher eingeschnitten sich darstellte, um Spieß und Schwert anfassen zu können. In Frankreich erscheint im 13. Jahrhundert eine Handschuhform, welche gagnepain genannt wird. Es ist dies nichts anderes, als der mit Eisenplättchen verstärkte Lederhandschuh und die Bezeichnung leitet sich von dem Worte canepin ab, das eine gegerbte Haut bezeichnet, welche die Handschuhmacher dazu verwendeten. Am Ende des 13. Jahrhunderts, als die Erfahrungen des 5. Kreuzzuges, vornehmlich in Frankreich und Italien, ihren Einfluss geltend machten, schnitt man die plumpen, sackartigen Enden entschlossen von den Ärmeln und steckte die Hände in gefingerte Handschuhe von starkem Damhirschleder mit Stulpen. Im Gefecht pflegte man dieselben noch überdies mit einem Stück Rindsleder zu belegen, das von der ersten Knöchelreihe bis an den Ellenbogen reichte und an der inneren Armfläche zusammengeknöpft wurde. Dieser Schutz erwies sich als nicht genügend, man nähte darum sowohl auf den Handrücken, als auf den ersten Daumenknöchel runde Eisenplatten, die nach der Handform getrieben waren. Diese Scheiben auf dem Handrücken treten bis ins 14. Jahrhundert häufig vor Augen, man band sie später mittelst Lederriemchen an den Handschuh, welche durch zwei Löcher der Scheibe gezogen und außen geknüpft wurden. Der Gebrauch erbte sich traditionell bis in die Zeit fort, in welcher bereits längst Eisenhandschuhe getragen wurden. In dieser primitiven Bedeckung des Handrückens ist das Vorbild der an vielen Eisenhandschuhen noch bis etwa 1500 ersichtlichen Stielscheiben zu erblicken, welcher wir später gedenken.

Fig. 75. Lederhandschuh mit schuppenförmig angeordneten Eisenplättchen benäht vom Grabmal des Sir Richard von Burlingthorpe um 1310. Fig. 76. Eisenhandschuh vom Grabmal eines Ritters aus der Familie der Eresby in der Spielsbykirche in Lincolnshire um 1410

Fig. 75. Lederhandschuh mit schuppenförmig angeordneten Eisenplättchen benäht vom Grabmal des Sir Richard von Burlingthorpe um 1310 nach Planché.

Fig. 76. Eisenhandschuh vom Grabmal eines Ritters aus der Familie der Eresby in der Spielsbykirche in Lincolnshire um 1410, nach Hewitt.

 

In den zahlreichen Abbildungen des Codex Balduini I. von ca. 1340, dessen wir wiederholt erwähnten, tragen die Ritter durchaus gefingerte Lederhandschuhe mit langen Stulpen. Der ungenügende Schutz, welchen die Eisenscheiben auf den Handrücken boten, war Ursache, dass man nun die Platte vergrößerte und sie nach der Form der Hand bildete und dabei auch die Handwurzel zu decken suchte. Dadurch entstanden die wesentlichsten Teile des Eisenhandschuhes, die Rückenplatte und der Stulp. Die Finger wurden mit kleinen Eisenblechstücken bedeckt, welche schuppenförmig auf den Lederhandschuh genäht wurden. (Fig. 75.) Eine derlei Einrichtung war aber doch nichts anderes, als ein mit Eisenplatten besetzter Lederhandschuh und kein Eisenhandschuh an sich, der sich erst in der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts zu bilden begann. Die ältesten Eisenhandschuhe besitzen breite Rückenplatten, von welchen aus nicht allein die vier Finger, sondern auch der Daumen sich herausschieben. Die Stulpen sind kurz, teils geradelaufend, teils geschweift gebildet. (Fig. 76.) Erst am Beginn des 15. Jahrhunderts ist die geschobene Partie des Daumens getrennt und nur durch ein Scharnier mit dem Handschuh in Verbindung. Um diese Zeit gewahren wir die ersten Handschuhe, in welchen die vier Finger nicht getrennt, sondern miteinander eine einzige geschobene Bedeckung besitzen. Man nennt derlei Eisenhandschuhe insgemein Hentzen (mitons). Sie werden für das Feld wie für das Turnier gebraucht. (Fig. 77.) Eine besondere Form bilden jene Hentzen, welche derart eingerichtet sind, dass sie nach Erfassen des Schwertes mit der Hand derart geschlossen werden konnten, dass eine Entwaffnung unmöglich wurde. Sie waren für den Fußkampf im Turnier und für das Fußturnier nicht gestattet, dennoch finden wir sie an Kampf- und anderen Turnierharnischen. Der Faustschluss wurde dadurch erzielt, dass an den Fingerspitzen eine weitere Folge angesetzt wurde, in welcher sich ein Loch befand. Wurde die Faust geschlossen, so gelangte diese an die Handwurzel, woselbst ein schlüsselartiger Bolzen sich befand, der durch das Loch gesteckt wurde und durch Umdrehen des Bartes die Öffnung der Faust hinderte. (Fig. 78.)

Fig. 77. Hentze mit Stielscheibe, der angeschobene Daumen besitzt eine Auftreibung für den Siegelring. Dieselbe gehört zu einem Harnisch Friedrichs Gonzaga Markgrafen von Mantua. Italienisch um 1480.  Fig. 78. Hentze mit Fingerschluss von einem Fußkampfha

 Fig. 77. Hentze mit Stielscheibe, der angeschobene Daumen besitzt eine Auftreibung für den Siegelring. Dieselbe gehört zu einem Harnisch Friedrichs Gonzaga Markgrafen von Mantua. Italienisch um 1480. Die Randätzungen gehören dem 16. Jahrhundert an.

 Fig. 78. Hentze mit Fingerschluss von einem Fußkampfharnisch Kaiser Ferdinands I. Blank mit goldgeätzten Zügen um 1560.

 

Wie wir vorher bemerkten, findet sich an Handschuhen vom 15. Jahrhundert an bis etwa 1500 auf den Handrücken genietet eine auf einem kurzen Stiel sitzende Eisenscheibe, Stielscheibe genannt. Sie findet sich nur an linken Handschuhen, nie an rechten. Wenn dieselbe sich auch zweifellos von den alten auf den Lederhandschuh gebundenen Scheibchen herschreibt, so lässt doch die Beschränkung ihres späteren Vorkommens auf den linksseitigen Handschuh erkennen, dass sie entweder zur sicheren Befestigung der Zügelriemen oder beim Gebrauch eines Schildes zu dessen festerer Anlehnung diente.

 

Am Beginn des 16. Jahrhunderts hatten sich die Handschuhe schon vollständig ausgebildet, ja man begegnet schon um 1510 Versuchen, der Nachteile derselben sich zu erwehren. So kommen in dieser Periode schon durchlöcherte Handschuhe vor, um die Ausdünstung der Hände zu befördern. Wir bringen hier einen solchen von einem Harnisch des Kaisers Maximilians I. (Fig. 79.)

 

Am Ende des 15. Jahrhunderts um 1470 etwa begegnen wir an Nürnberger Harnischen Handschuhen von vollendet schöner Form im Stil der Spätgotik. Die zahlreichen Folgen sind seicht gekehlt und an den Rändern, den sogenannten Fürfeilen, gezackt geschnitten und durchbrochen gearbeitet. Die ganze Arbeit erinnert an ein Spitzengewebe. Die Knöchel bedecken spitz getriebene Eisen- oder Messingbuckel von eleganter Zeichnung. Die Ränder der langen, spitz geschnittenen Stulpen sind von Messing mit zarten lilienförmigen Dessins. Das Ende des 15. Jahrhunderts ist die Blütezeit der Plattnerei, es zeigt sich das nicht wenig in der Form des Handschuhes. (Fig. 80.)

Fig. 79. Gelochte Hentze von einem Harnisch des Kaisers Maximilian I. um 1480.

Fig. 79. Gelochte Hentze von einem Harnisch des Kaisers Maximilian I. um 1480.

 

Fig. 80. Rechter Handschuh mit messingenen Randeinfassungen und Knöchelwülsten, gekehlt und mit ausgezackten Folgen. Der Daumen ist an dem Scharnier hängend. Von einem Harnisch des Erzherzogs Sigmund von Tirol. Deutsche Arbeit um 1480.

 Fig. 80. Rechter Handschuh mit messingenen Randeinfassungen und Knöchelwülsten, gekehlt und mit ausgezackten Folgen. Der Daumen ist an dem Scharnier hängend. Von einem Harnisch des Erzherzogs Sigmund von Tirol. Deutsche Arbeit um 1480.

 

Im 16. Jahrhundert ging man im Allgemeinen wieder auf die älteren Formen zurück. Die Hauptformen ändern sich wenig, die dekorative Ausstattung soll den Mangel einer entsprechenden Weiterbildung der Form ersetzen. Um 1510 treten die geriffelten Formen auf, welche die Maximiliansharnische charakterisieren. Die Stulpen werden bei wenig konischer Bildung wieder kurz. Die gefingerten Handschuhe werden gebräuchlicher, die Hentzen seltener. (Fig. 81.)

 

Einer Eigentümlichkeit an Handschuhen deutscher Arbeit müssen wir gedenken. Man wird nämlich an solchen, nahezu durchweg am äußeren Knöchel der Handwurzel, einen kleinen Buckel aufgetrieben finden. Wir haben es hier mit einer Handwerksgewohnheit deutscher Werkstätten zu tun, die sich aus dem 15. Jahrhundert herschreibt. Italienische Meister, welche den Knöchelauftrieb fertigen, waren sicher einst in deutschen Werkstätten beschäftigt. Man findet solchen übrigens an italienischen Arbeiten äußerst selten.

Fig. 81. Rechter Handschuh von einem Prunkharnisch Kaiser Karls V. blank mit aufgelegten messingenen und vergoldeten Streifen Um 1550. Fig. 82. Handschuh mit Knöchelschiene, angeschobenem Daumen und Fingern aus Panzerzeug. Blank mit schwarz geätztem Rand.

Fig. 81. Rechter Handschuh von einem Prunkharnisch Kaiser Karls V. blank mit aufgelegten messingenen und vergoldeten Streifen von meisterhafter Zeichnung im Stil Wenzel Jamnitzers. Um 1550.

Fig. 82. Handschuh mit Knöchelschiene, angeschobenem Daumen und Fingern aus Panzerzeug. Blank mit schwarz geätztem Rand. Derselbe gehört zu einem Landsknechtharnisch des Caspar von Frundsberg. Deutsche Arbeit um 1527.

 

Um 1530, in jener Periode, in welcher der Einfluss des Landsknechtwesens mächtig wird, erwacht das Bestreben, die Handschuhe leichter und beweglicher zu machen. In dieser Zeit treffen wir Handschuhe zwar mit etwas längeren, öfter geschweiften Stulpen, aber ohne Fingergeschübe. Der Schutz der Finger wird durch Streifen aus Panzerzeug, aus kleinen Eisenringelchen (Panzerstücken) bestehend, gebildet, welche auf die obere Seite des Lederhandschuhes genäht werden (Fig. 82). Diese Form erhält sich bis ins 17. Jahrhundert. Um 1540 wird selbst bei Handschuhen mit Fingergeschüben wenigstens der Zeigefinger der rechten Hand, dem beim Handhaben von Spieß und Schwert Beweglichkeit nötig ist, nur durch Panzerzeug vorn gedeckt. In der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts gelangen von Italien aus leichte und bewegliche Handschuhe mit hohen Stulpen in Gebrauch, welche in der Technik ganz mit den Brigantinen übereinstimmen. Mehrere Reihen von schuppenartig übereinander liegenden Plättchen werden mit schmalen Streifen von Panzerzeug verbunden. Gegen Hiebe mit schwächeren italienischen Haudegen waren sie eine immerhin ausreichende Schutzwaffe. (Fig. 83.)

 

Die späteren Fußknechtharnische um 1570 besaßen bekanntlich kein Armzeug. Die Achsel und den halben Oberarm deckte das Spangröl, den übrigen Teil der Panzerärmel. Zur ausreichenderen Versicherung des Unterarmes bediente man sich der Blechhandschuhe mit Stulpen, welche bis über den Ellenbogen reichten. Diese Handschuhe wurden noch von den Pickenieren im Dreißigjährigen Krieg getragen. Sie waren die letzten Eisenhandschuhe, welche überhaupt in den Heeren in Verwendung kamen. (Fig. 84.)

Fig. 83. Handschuh aus Plättchen und Panzerzeug bestehend, sogenannter Brigantinhandschuh, geätzt und vergoldet. Deutsch nach italienischem Muster, um 1560. Fig. 84. Handschuh mit bis an den Ellenbogen reichendem Stulp, sogenannter Pickenierhandschuh. Ges

 Fig. 83. Handschuh aus Plättchen und Panzerzeug bestehend, sogenannter Brigantenhandschuh, geätzt und vergoldet. Deutsch nach italienischem Muster, um 1560.

 Fig. 84. Handschuh mit bis an den Ellenbogen reichendem Stulp, sogenannter Pikenierhandschuh. Geschwärzt mit Vorstößen aus Leder. Italienisch, um 1620.

 

Aus italienischen Werkstätten gelangen rechtsseitige Armzeuge, die mit dem Handschuh durch ein Geschübe in Verbindung stehen. Diese Kampfhandschuhe unterscheiden sich von allen anderen dadurch, dass die Hand auch an der Innenseite durch Geschübe gedeckt, somit vollständig in Eisen eingehüllt ist. An der Innenseite des Daumens, des Mittel- und des kleinen Fingers sind kurze, scharfe Eisenspitzen aufgenietet. Derlei Handschuhe waren im Handgemenge und selbst nach Verlust der Waffe noch von Vorteil. Immerhin war ihre Brauchbarkeit auf so vereinzelte Fälle beschränkt, dass dieselben keine allgemeinere Anwendung fanden. (Fig. 85.)

 

Im Orient, bei dessen Völkern eine Streitweise üblich war, die Beweglichkeit zur ersten Bedingung hatte, war man allen Schutzwaffen abhold, welche dieselbe irgend beeinträchtigen konnte. Ebenso wie der steife Brustharnisch nie angenommen wurde, ebensowenig fand der geschobene Handschuh je Eingang. Der bestgerüstete Mann trug an der rechten Hand einen leichten Blechhandschuh (elwân), der den ganzen Unterarm deckte; die Hand aber steckte in einem Fäustling, der an der Streckseite mit Panzerzeug benäht, unterhalb aber mit Damast- oder anderem Wollstoff überzogen war. (Fig. 86.)

Fig. 85. Eisenhandschuh mit vollständiger Deckung der inneren Handfläche, an den Fingern mit scharfen Spitzen besetzt. Italienisch um 1570. Fig. 86. Eiserne Armschiene zu einer türkischen Ausrüstung gehörig, mit Fäustling aus rotem Damast, des Sultans Sol

 Fig. 85. Eisenhandschuh mit vollständiger Deckung der inneren Handfläche, an den Fingern mit scharfen Spitzen besetzt. Italienisch um 1570.

 Fig. 86. Eiserne Armschiene zu einer türkischen Ausrüstung gehörig, mit Fäustling aus rotem Damast, des Sultans Solimans I. (1494—1566), gekehlt und reich in Gold tauschiert. Beutestück nach dem Abzug der Türken von Wien 1529. Die Schiene ist in geöffnetem Zustand gezeichnet.

 

Die Mauren trugen im 15. Jahrhundert Handschuhe an der linken Hand, welche mit einer dreizackigen Klinge in Verbindung als Angriffswaffe gelten konnte. Eine Nachahmung dieser Form in Spanien und Italien ersehen wir in den Armschilden des 16. Jahrhunderts, welche sich als eine Verbindung von Handschuh, Rundschild und Klingen darstellten. Wir werden ihrer bei der Beschreibung der Schilde gedenken. Noch in spätester Zeit des Jahrhunderts finden wir Anklänge an diese Konstruktion in Handschuhen, welche mit 3 bis 4 Stacheln besetzt sind. Sie konnten unter Umständen nur im Handgemenge von einigem Vorteil sein.

 

 

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Fortsetzung: Die Harnischbrust

 

Quelle: Wendelin Boeheims "Handbuch der Waffenkunde" von 1890.