Um den Beginn des 14. Jahrhunderts beginnt der Topfhelm im Gefecht seltener zu werden. Man ging nach anderthalb Jahrhunderten wieder zum alten normannischen Helm zurück, den man nun nach den waltenden Verhältnissen und den gewonnenen Erfahrungen allmählich umformte. Derselbe wurde in seinem Umfang größer gestaltet, sodass er nun nicht mehr auf der Stirn aufsass, sondern tiefer in den Nacken reichte. An der Vorderseite wurde die Glocke ausgeschnitten, sodass das Gesicht bis an die Stirn frei war. Ebenso war dieselbe auch im Nacken leicht ausgeschnitten (Fig. 17.) An den Seitenrändern wurde die Halsbrünne mittelst einer durch Kloben gezogenen Drahtschnur befestigt. Diese Halsbrünne bestand aus einem Geflecht aus genieteten Eisenringen, dem sogenannten Panzeroder Musszeug, und fiel vorn und rückwärts über den Hals herab.
Fig. 17. Beckenhaube (bacinet) mit Kloben zur Befestigung der Helmbrünne und der Nasenbandschließe (bretèche). Mitte 14. Jahrhundert. Italienisch. Museo Poldi-Pezzoli in Mailand.
Fig. 18. Beckenhaube mit aufgeschlagenem Nasenband. 14. Jahrhundert nach Viollet-le-Duc.
Vorn war sie nur soweit ausgeschnitten, dass das Gesicht bis zum Kinn frei blieb. Am Punkt des Kinnes setzte sich ein Lappen, das Nasenband (bretèche), fort, an welches ein nach der Nasenform getriebenes Blechstück sich reihte. Dieser Lappen, im Gefecht hinaufgeschlagen und an der Stirn an einem Kloben befestigt, deckte das Gesicht mit Ausnahme der Augen. (Fig. 18.) Diese Nasenbänder, vorwiegend in Deutschland, doch auch da nicht allgemein üblich, erscheinen um 1330 und verschwinden um 1370. Die sicherste Deckung des Gesichtes wurde aber seit dem Anfang des 14. Jahrhunderts in dem Visier gefunden, welches nun immer häufiger und zuletzt um 1400 allenthalben an den Beckenhauben getroffen wird. Ist es am Stirnteil an einem Scharnier befestigt, dann heißt es Klappvisier (Fig. 19), oder an den Seiten unbeweglich, aber durch Entfernung von Stiften abzulegen, dann benennt man es Absteckvisier, oder, um seitlich angebrachte Bolzen laufend, auf- oder abschlächtig. Auf dem Grabmal des Aymer de Valence, Earl of Pembrocke, von 1323 in der Westminsterabtei finden wir den Visierhelm bereits vollständig ausgebildet.
Fig. 19. Beckenhaube mit Kloben für die Helmbrünne und schnauzenförmig vorgetriebenem Klappvisier. Der Unterrand des Sehspaltes ist gezahnt, um ein Hineingreifen zu erschweren. Italienisch. Ende des 14. Jahrhunderts. Sammlung J. H. von Hefner-Alteneck in München.
Fig. 20. Hundsgugel mit Absteckvisier aus der Wende des 14. Jahrhunderts. Schweizerisch.
In der Mitte des 14. Jahrhunderts kommt für die mit Visier versehenen Beckenhauben die von der damaligen Kopftracht hergeleitete Bezeichnung Gugel auf. Solche des leichteren Atmens halber mit spitz vorgetriebenen Visieren, welche eine der Hundsschnauze ähnliche Form besaßen, wurden darum Hundsgugeln genannt. Sie erscheinen von ca. 1350 bis in den Anfang des 15. Jahrhunderts. (Fig. 20.) Bekannt ist der sogenannte Guglerkrieg 1375, in welchem Ingram von Conzi mit 18.000, mit Beckenhauben (Gugeln) ausgerüsteten Knechten die althabsburgischen Erbgüter zu Aargau angriff. Und in den fasti Limpurgenses heißt es unter dem Jahr 1389: „Die hundskugeln fuhrten ritter und knecht, burger und reisige leut.“ (Fig. 21.)
Fig. 21. Hundsgugel mit Absteckvisier vom Anfang des 15. Jahrhunderts. Deutsch.
Gegen Ende des 14. Jahrhunderts erscheint eine ähnliche Helmform mit hundsschnauzenförmigem Visier. Das Scheitelstück ist ganz der Beckenhaube nachgebildet, nur setzt sich an selbe ein steifer Bart und ein Nackenstück derart fort, dass der Helm eigentlich auf den Schultern aufsitzt. Die Form wird dadurch erklärlich, wenn man entdeckt, dass diese Verlängerungen nach abwärts auf Brust und Rücken eigentlich nichts anderes, als einen Ersatz der Halsbrünne darstellen. Die Form ist allerdings italienisch, aber man irrt in Frankreich, wenn man sie dort Aquilée nennt. Die Helme von Aquilea fanden bereits am Schluss des 13. Jahrhunderts ihr Ende. Nicht weniger irrt man, wenn man sie schlechtweg Bacinets benennt; am treffendsten bezeichnet man sie als große Beckenhaube: Grand Bacinet. Helme mit Visieren, die einer Hundsschnauze ähnlich gebildet sind, werden noch bis etwa 1540 getragen. Bekannt ist der derart gestaltete Helm Kaiser Ferdinands I. in der kaiserlichen Sammlung zu Wien, der um 1530 von Jörg Säusenhofer in Innsbruck gefertigt wurde.
War der Topfhelm aus dem Heer verschwunden, so bildete er doch noch ein wichtiges Attribut des Rittertums und fand in geringen Formenwandlungen seine Verwendung im Turnier, beziehungsweise im Gestech bis ins 16. Jahrhundert, von da an verwandelt er sich in den neuen Stechhelm, der wieder in seiner Form sich dem geschlossenen Helm nähert.
Die Kopfbedeckung des Ritters war bisher von jener des Hörigen und gemeinen Söldners wesentlich verschieden. Der Fußknecht, der Bogen- oder Armbrustschütze trug vom 12. Jahrhundert an eine weit weniger komplizierte Kopfbedeckung, die Eisenhaube, (îsenhut, chapel), die, unwesentliche Varianten ungerechnet, die Form eines tiefen Beckens mit verschieden breitem Rand besaß. (Fig. 22.) Vom 14. Jahrhundert an, als das Fußvolk allgemach wieder zur Bedeutung gelangte und die adligen Herren den Söldnern zu schmeicheln begannen, da trugen selbst die Könige zuweilen die Eisenhaube, doch zumeist mit dem Bart (bavière) zur Deckung der unteren Gesichtshälfte. (Fig. 23.) Von der Form der am Ende des 14. Jahrhunderts in Frankreich getragenen, chapels de Montauban, sind wir nicht genau unterrichtet.
Fig. 22. Eisenhut mit flachem Grat und breiten, tief herabreichenden Krempen. Augsburger Arbeit. 15. Jahrhundert, 2. Hälfte.
Die Eisenkappe verschwindet erst um die Mitte des 16. Jahrhunderts. Im letzten Stadium ihres Bestehens von 1520 an kommt sie in den Landsknechtherren ihrer Bequemlichkeit wegen ungemein zur Beliebtheit und wird als niedere, leichte Haube mit einem wie noch heute üblichen Sonnenschirm getragen. (Fig. 24.)
Fig. 23. Eisenkappe von einem Harnisch, in welchem gekleidet König Maximilian I. 1480 in Lützelburg eingeritten war. Deutsch.
Um das 2. Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts finden wir in der Ritterschaft plötzlich eine ganz neue Helmform, den Kugelhelm (bicoquet). Aus Italien herübergekommen, ist er eigentlich doch nichts anderes, als ein Topfhelm mit großem Visier und eingezogenen Halswänden. Aber in der Form lag ein entschiedener Vorteil, der Helm saß auf Brust und Schultern auf und wurde auf Brust und Rücken mittelst Riemen befestigt. Der Kopf bewegte sich frei in dieser Eisenkugel und die Schläge der Kürissbengel konnten ihm nur wenig anhaben. Trotzdem verschwinden sie um 1470 bereits, vielleicht ihrer Plumpheit halber, vielleicht, weil die Schlagwaffen allmählich seltener wurden. Schon mit der Beckenhaube erscheint um 1350 eine Deckung der unteren Gesichtshälfte durch ein Kinnreff, das zuweilen steif, oft aber aufschlächtig ist. Bildet diese Deckung keinen Bestandteil des Helmes, sodass sie an der Brust mittelst Riemen oder Vorsteckkloben haftet, dann bezeichnet man dieselbe als Bart (bavière).
Fig. 24. Eisenkappe mit vergoldeten Ätzungen. Wechselstück zu einem Harnisch des Konrad von Bemelberg. (1494—1567.) Arbeit des Plattners Valentin Siebenbürger in Nürnberg, die Ätzungen von Albert Glockendon um 1532.
Gegen Ende des 14. Jahrhunderts wird die Beckenhaube allmählich oben flacher und mehr der Kugelform sich annähernd gebildet. Der Teil im Nacken wird ausgeschweift und von 1420 etwa an bildet sich ein leichter Grat über den Scheitel, damit entsteht eine ganz neue Helmform, die Schallern (schêlern, salade), welche bis ans Ende des Jahrhunderts unter Rittern und Söldnern sich einer großen Beliebtheit erfreute. Der Name Schallern schreibt sich ohne Zweifel von dem deutschen Worte Schale her und bedeutet eigentlich dasselbe wie Beckenhaube. (Fig. 25, 26, 27.) Die italienische Schallern ist von der deutschen erheblich verschieden. Erstere hat in lebhafterer Erinnerung an die Antike mehr die Form eines römischen oder griechischen Helmes, manche mit schmalen Ausschnitten für Nase und Augen, gleich den Hoplitenhelmen, wie die venetianische Schallern. Die deutsche Schallern ist im Nacken weit nach rückwärts gezogen und besitzt zuweilen auch seitlich weit abstehende Wände. Das Gesicht ist mit einem aufschlächtigen Visier gedeckt, welches einen Sehspalt besitzt, dessen Unterrand so weit vorragt, dass ein Hieb oder Schlag nicht bis ans Auge dringen kann. Um 1500 erscheinen die Nackenschirme geschoben. Die deutschen Schallern verschwinden schon vollends um 1520, die italienischen erhalten sich das ganze 16. Jahrhundert hindurch.
Fig. 25. Italienische, sogenannte lucchesische Schallern mit getriebenen und vergoldeten Verzierungen. Die dargestellte Binde ist mit Spitzen besetzt und mit geätzten Minuskelbuchstaben geziert, die, unlesbar, nur als Dekoration dienen. Ende 15. Jahrhundert. Museum zu Zarskoë-Selo.
Fig. 26. Deutsche Schallern mit aufschlächtigem Visier von einem Harnisch des Erzherzogs Sigmund von Tirol. Der Rand ist mit verzierten Messingstreifen geziert. Der zugehörige Bart, welcher am Bruststück haftet und einmal abschlächtig ist, wurde in der Figur angedeutet.
Die Schallern waren nicht immer aus Eisen gefertigt. In der Schlacht bei Azincourt 1415 waren nach dem Bericht eines Augenzeugen derselben, Saint-Remy, die berühmten englischen Bogenschützen mit capelines (Saladen) von gesottenem Leder (cuir bouilli) ausgerüstet. Ein wesentliches Begleitstück der deutschen Schallern bildete der an die Brust mittelst Federkloben befestigte Bart, welcher, wie erwähnt, die untere Hälfte des Gesichts bis an die Augen deckte. Vornehme trugen in Städten den Bart aus Leder gefertigt und mit Stoff überzogen. Um 1480 tragen deutsche Edelleute und auch Söldner schallernförmige Hauben, die aus einem Gerüst aus Blechbändern bestanden, welche mit rauem Plüsch oder Pelzwerk überzogen wurden. In den Zeugbüchern des Kaisers Maximilian I. finden sie sich abgebildet1 mit und ohne Visiere. Ähnliche Hauben werden als „Gattert hirnhauben“ in der Zahl von 400 in dem Inventar des Zeughauses zu Wien 15192 angeführt mit der Bezeichnung „auf fuessknecht“. In einem Bildkodex vom Schloss Tetschen a. d. Elbe trägt eine solche aber auch ein Reiter mit den Gesichtszügen Kaiser Maximilians3. (Fig. 28a und b.)
3 Grfl. Tun-Hohensteinsche Fideikommiss-Bibliothek in Schloss Tetschen a. d. Elbe.
1 Bibliothek der kunsthist. Sammlungen des kaiserlichen Hauses. Wien.
2 Reichsfinanzarchiv in Wien. Fasz. 31.
Fig. 27. Italienische Schallern eines Fußknechtes vom Anfang des 15. Jahrhunderts. Museo Poldi-Pezzoli in Mailand.
Wenn auch den Angaben der älteren Schriftsteller und Chronisten insofern nicht immer zu trauen ist, dass sie mit dem Namen Saladen oder Schallern oft ganz verschiedenartige Helme belegen, ohne scharf zu unterscheiden, weil eben diese Bezeichnung allgemein wurde, wie beispielsweise der Name Pickelhaube heute für eine ganz andere als die ursprüngliche Helmform gebraucht wird, so ist doch die Schallern, wie der ihr verwandte Eisenhut in den deutschen Söldnerscharen, wie auch unter den Schweizern im 15. Jahrhundert allgemein im Gebrauch gestanden. In Frankreich führten sie unter Karl VII. die königlichen Bogenschützen, von Ludwig XI. an auch die leichten Reiter. Als Kopfbedeckung der Chevauxlegers erhält sie sich bis in die Zeit Ludwigs XIII. Maximilian I. bezeichnet die wällische Schallern in seinem Memorienbuch von 1502 als Ausrüstungsstück für den Büchsenschützen zu Ross, also wieder für den leichten Reiter. Häufig findet sich die Bezeichnung „Lucchesische Schallern“, womit wirklich eine italienische Schallern verstanden ist, nicht selten aber der Name „tartarische Schallern“, der auf einer Verwechselung mit der orientalischen Sturmhaube beruht. In Italien und später auch in Frankreich werden die Schallern zum Schutz der Ohren an den Seiten mit scheibenförmigen Platten ausgestattet. Mit dieser Beigabe ist der Übergang der Schallern in die Sturmhaube eingeleitet.
Fig. 28a. Eisengestelle (calotte) von einer mit Pelzwerk überzogenen Haube mit nach aufwärts zu schiebendem Visier.
Fig. 28b. Mit Pelzwerk überzogene schallernförmige Haube. Zeugbücher des Kaisers Maximilian von 1514. Zeug von Tirol. 15. Jahrhundert Ende.
Von der Mitte des 15. Jahrhunderts bildet sich allmählich der geschlossene Helm älterer Form, mittelhochd. haubtharnasch, franz. heaume, ital. elmo. Die älteste Übergangsform entwickelt sich aus der späteren Beckenhaube. Die Konstruktion derselben ist verschieden, doch charakterisieren sich alle durch das eingezogene Nackenstück, durch zwei seitlich an Scharnieren befestigte Backenstücke, welche vorn am Kinn geschlossen werden und ein sogenanntes zweiteiliges Kinnreff bilden, durch ein quer gekehltes oder spitz vorspringendes aufschlächtiges, dabei aber auch abzusteckendes Visier, endlich einen mit dem Visier in gleicher Welle laufenden Stirnstulp, welcher die Stirnpartie des Scheitelstückes verstärkt und auch die offene Stelle an den Augen bei vorspringenden Visieren schließt. Im Nacken wurde weiters an einem Stift eine kleine Scheibe angebracht, die sogenannte Stielscheibe. Sie hatte vermutlich den Zweck, dass der nach rückwärts stürzende Träger nicht unmittelbar auf das Hinterhaupt fallen konnte. In der Zeit des Überganges sind derlei geschlossene Helme älterer Form noch mit einem Stück Panzerzeug am Unterrand ausgestattet; man trennte sich eben schwer von der gewohnten Helmbrünne. (Fig. 29a und b.) Diese Beigabe verliert sich im 16. Jahrhundert mit dem Auftreten des Harnischkragens. Auf den ältesten Helmen des 16. Jahrhunderts befindet sich nur eine über das Scheitelstück von vorn nach rückwärts laufende, wulstförmige Erhöhung, die ersten Anfänge des Kammes. In der Folge wird diese immer höher aufgetrieben und wird damit zum ausgesprochenen Kamm. Um 1570 wächst der Kamm besonders in Italien zu riesiger Höhe. Eine barocke Phantasie führt dahin, die Visiere auch in Form eines abschreckenden Antlitzes zu bilden; man hieß derlei Visiere Teufelsschembart. Überhaupt führten die damaligen Helmvarianten, hauptsächlich nach der Gestalt der Visiere, eigene Namen wie Totenkopf, Affenvisier u. dergl. (Fig. 30.)
Fig. 29a. Geschlossener Helm ältester Form mit absteckbarem aufschlächtigen Visier, Anschnallbart und Stielscheibe. Den Hals deckt noch ein Panzergehänge, eine Art Halsbrünne. Um 1490. Italienisch. Armeria Reale zu Turin. Seitenansicht.
Fig. 29b. Rückseite mit geöffneten Backenstücken und geöffnetem Visier.
Um 1500 wird der geschlossene Helm in seiner Zusammensetzung wesentlich vereinfacht. Die Öffnung desselben erfolgt lediglich von dem seitlichen Visierkloben aus, indem Kinnreff und Visier aufgeschlagen den Raum geben, um beim Aufsetzen den Kopf durchzulassen. Das Nackenstück erscheint nun geschoben, die Stielscheibe verschwindet. Aus dieser Übergangsform bildet sich um 1530 der geschlossene Helm neuerer Form. An Maximiliansharnischen sehen wir den Helm von der einfachsten Konstruktion. Eigenartig erscheint derselbe durch sein rückwärts sehr stark ausgetriebenes Scheitelstück, um der stark gefütterten „Helmhaube“ Raum zu bieten. Das mehrmals quer gekehlte Visier verbreitet sich auch über die Stirnpartie, wodurch der Stirnstulp überflüssig wird. Das Kinnreff ist in der Mehrzahl zweiteilig. (Fig. 31.) An geschlossenen Helmen älterer Form kommen zuerst die doppelten Visiere zur Anwendung. Zwei übereinanderstehende Visiere, von welchen das untere gewöhnlich ein Spangenvisier oder doch breiter durchlocht ist.
Fig. 30. Burgundischer Helm (bourgignot) mit Teufelsschembart und seitlich angesetzten Flügeln. Polnisch. Um 1510. Armeria Reale zu Turin.
Fig. 31. Geschlossener Helm zu einem Maximilians-Harnisch gehörig, mit Kinnreff, auf- und abschlächtigem Visier. Übergangsform aus der Schallern. Projekt des Kaisers Maximilian um 1510.
Am Beginn des 16. Jahrhunderts entsteht der Harnischkragen und fast gleichzeitig damit kam man auf die Idee, diesen mit dem Helm in Verbindung zu bringen. Man trieb den Unterrand des Helmes rinnenartig auf und erzielte dadurch, dass die aufgeworfene Oberkante des Kragens innerhalb dieser Rinne sich bewegte, eine sichere Verbindung beider. Derlei Helme, welche, wie es in der gleichzeitigen Sprache heißt, „im kragen umbgeen“, nennt man burgundische Helme (bourgignots, borgognotas)1. Um diese Zeit bildet sich jene Visierform heraus, welche bis an das Ende des Jahrhunderts allenthalben üblich blieb, nämlich aufschlächtig mit weit und spitz vorspringenden Wänden, in welche oberhalb in einer Kehlung der Sehspalt geschnitten wurde. In der Konstruktion zur Öffnung des Helmes hat der burgundische, wie wir an den Figuren ersehen, genau die Wandlungen des geschlossenen Helmes mitgemacht. (Fig. 32.)
1 Nicht zu verwechseln mit bourgignotte, was Sturmhaube bedeutet.
Fig. 32. Burgundischer Helm von einer Harnischgarnitur des Königs Ferdinand I. um 1530. Blank mit schwarz geätzten Verzierungen.
Fig. 33. Geschlossener Helm mit niederem Kamm, Kinnreff, Visier, aufstellbarem, mit Deckel zu schließendem Stirnstulp. Hals- und Nackenreifen sind dreimal geschoben. Von einem Harnisch des Erzherzogs Ferdinand von Tirol (Harnisch mit den Adlern). Arbeit des Jörg Seusenhofer in Innsbruck von 1547.
Um 1530 tritt uns eine andere Form vor Augen, die sich von 1510 an allmählich aus der spätesten Form der italienischen Stechhelme herausgebildet hatte, der geschlossene Helm neuerer Form. Derselbe besitzt im ganzen die Form des burgundischen, nur steht er mit dem Kragen nicht in mechanischer Verbindung und sind an der vorderen Seite unterhalb mehrere geschobene Schienen, die Halsreifen, an der rückwärtigen die Nackenreifen angefügt. Der Hauptunterschied aber besteht in der Art der Zusammensetzung der einzelnen Teile. Er öffnet sich nämlich an den beiden Seiten dadurch, dass das Visier mit dem unterhalb liegenden, abschlächtigen ganzen, d. i. aus einem Stück bestehenden Kinnreff, welche beide um die Welle des Visierbolzens laufen, nach aufwärts geschoben wird. So geöffnet wird der Helm auf den Kopf gestülpt. Auch ist dem Visier und dem Kinnreff noch ein drittes Stück beigegeben, das sich im Verein mit beiden bewegt, der Stirnstulp. Zum Erheben des Stirnstulps dient ein an der rechten Seite der Visierwand befindlicher Kloben. Wird auch das Visier aufgeschlagen, dann wird es auf ein eisernes Stängelchen, Stützstange, aufgestützt, welches an der rechten Seite des Kinnreffs befestigt ist und das Zurückfallen des Visiers und des Stirnstulps hindert. Häufig, und besonders an auch fürs Turnier gebrauchten Helmen, befindet sich an der rechten Seite eine Sperre, welche das Visier und den Stirnstulp, zuweilen auch das aufschlächtige Kinnreff, in geschlossener Stellung erhält. Soll der Helm geöffnet werden, so muss an einem Lederriemchen gezogen werden, welches aus einer Öffnung in der rechten Visierwand hervorsteht. Der Mechanismus besteht in einer einfachen Feder im Inneren, die beim Anziehen einen Sperrstift frei macht. Bemerkenswert erscheint die Form des Visiers, wie sich selbe vom Beginn des 16. Jahrhunderts herausgebildet hatte. Die beiden Wände erheben sich zu einer am oberen Rand auslaufenden Spitze, die besonders um 1550 scharf hervortritt, wobei die Wände leicht konkav geschweift nach aufwärts streben. Die Form ist keine willkürliche, sondern das Ergebnis der Erfahrung und des Nachdenkens. Die Richtung nach vorwärts erhielt es zum Schutz der Augen vor Schwert- und anderen Hieben, dadurch ergab sich ein entsprechender Raum, der zur Erleichterung des Atmens und zur Ventilation sich als ungemein nützlich herausstellte. In die Spitze zulaufende Visiere (ital. celata a becco di passero) sind den Helmen von etwa 1530 bis 1560 eigentümlich, erst von da an wird die Visierwand senkrecht gestellt, sodass sie an den Augenspalten nur wenig hervorragt. (Fig. 33.)
In der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts treten wieder einfachere Visiermechanismen auf. Den alten Stirnstulp ersetzt ein aufschlächtiger Gesichtsschirm, mit welchem ein meist breit und senkrecht gespaltenes Visier in Verbindung ist, das sich beim Aufschlagen des Schirmes gleichzeitig öffnet. In den Heeren der Niederländer und Engländer führen die reitenden Schützen Helme mit ähnlichen Visieren, die aber nur aus drei Spangen bestehen. (Fig. 34.)
Fig. 34. Reiterhelm, sogenannte „Burgunderkappe“ vom Ende des 16. Jahrhunderts. Niederländisch. Waffensammlung Schloss Ambras in Tirol.
Fig. 35. Geschlossener Helm mit gelochten Backenstücken und Visier von einem Harnisch des Kaisers Maximilian I. Um 1500.
Besondere Verstärkungen durch Auflegen von Doppelstücken kommen bei geschlossenen wie bei burgundischen Helmen nicht selten auch für den Feldgebrauch vor, für gewisse Turnierarten sind solche, wie wir später ersehen werden, unentbehrlich. Zunächst wäre hier die Verstärkung am Scheitel zu erwähnen. Sie überdeckt das Scheitelstück, bei Kämmen mit Aussparung desselben vollständig und wird rückwärts durch drei Spangen gehalten, die federartig wirkend an das Nackenstück sich pressen. Die ältesten derselben erscheinen um 1510; um 1540 kommen sie auch in hübschen Dessins durchbrochen vor Augen, in welchem Fall sie nur als Zierstücke dienen. Eine andere Verstärkung erblicken wir in dem Feldbart, der auch an Sturmhauben üblich ist. Derselbe, schmal geschnitten, deckt nur die Kinnpartie und reicht bis zu den Visierbolzen hinauf, welchen er an beiden Seiten deckt, unterhalb reiht sich daran ein geschobener Halsreifen. Nicht so häufig im Feld, als beim Turnier wird die Helmwand an der linken (Hieb-) Seite verstärkt. Derlei Wandverstärkungen erscheinen, je nachdem sie sich über anderen Partien des Körpers verbreiten, in verschiedenen Größen. Die kleinsten decken nur die Helmwand allein, die Mittelkante des Helmes etwas übergreifend, und werden um den Hals geschnallt. Größere reichen bis an die Brust, an welche sie angeschraubt werden. Die größten, über die halbe Brust und die ganze linke Achsel sich spannend, werden nur im Gestech über der pallia getragen, wir werden sie an geeigneter Stelle näher ins Auge fassen.
Aber auch eine andere Eigentümlichkeit gewahrt man an geschlossenen und burgundischen Helmen, schon von ihrem ersten Auftreten an, die bei aller Anerkennung gewisser Vorteile doch eine Schwächung derselben darstellt: das Durchlöchern des Scheitelstückes. Der älteste Helm derartiger Form stammt aus dem Besitz des Kaisers Maximilian, doch kommen ähnliche bis 1570 vor. Die zahlreichen Löcher mögen wohl das Tragen des Helmes in der Tageshitze erheblich erleichtert haben. (Fig. 35.)
Quelle: Wendelin Boeheims "Handbuch der Waffenkunde" von 1890.