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Die Ermordung Kaiser Albrecht I.

Die Ermordung Kaisers Albrecht I. durch seinen Neffen Johann von Schwaben

Johannes Parricida und sein Sohn

"Kaiser Albrecht I., der Sohn des großen Kaisers Rudolf I. von Habsburg, besaß nebst einem eisenfesten, treubiederen Charakter noch viele andere große und gute Eigenschaften und hatte dieselben auch nötig, um sowohl die österreichischen als auch die deutschen Länder in Ordnung zu erhalten.


Demzufolge lag er fast ununterbrochen im Kampf mit offenen und geheimen Feinden, welche bald im Innern, bald von außen her gegen ihn aufstanden. Die Bosheit derselben und ihre verführerische Überredungskunst wusste es endlich dahin zu bringen, dass sein eigener Neffe, Johann von Schwaben, sich mit ihnen verschwor und von seinem kaiserlichen Oheim den ihm von seinem verstorbenen Vater, dem Herzog Rudolf, zugefallenen Länderanteil verlangte.


Da Kaiser Albrecht seinem unzeitig und ungebührlich gestellten Verlangen schon wegen seiner Jugend und Unerfahrenheit nicht willfahren konnte, ließ sich der abgewiesene Prinz in der Leidenschaft des Zornes von der Arglist der Versucher umgarnen und beschloss mit den Verschwörern eine tat zu vollbringen, die zu den schwärzesten Verbrechen zählt.


Es war am 1. Mai 1308, als der Kaiser die Ankunft seiner Gemahlin Elisabeth erwartete und nach der Tafel von seinem Stammschloss Habsburg (in der Schweiz) aufbrach, um ihr sehnsuchtsvoll und fröhlichen Sinnes entgegen zu eilen. Er stieg in Begleitung von vier jungen Rittern zu Pferde, obgleich er schon öfter und an diesem Tag abermals gewarnt worden war, diesen Ritt nicht ohne Bedeckung von Getreuen zu unternehmen. Seine Begleiter waren: Ritter Rudolf von der Wart, Ulrich von Balm, Walter von Eschenbach und sein Neffe Johann - und das eben sind die Ruchlosen gewesen, welche sich gegen sein Leben verschworen hatten und sich in ihrer Heuelei so gut zu verstellen wussten, dass er in ihrer Mitte keinen bösen Anschlag befürchten zu müssen glaubte.


Als sie in der Nähe von Königsfeldern bei einem Gebüsch vorüberritten, rief Johann plötzlich: "Wartet nicht länger, sondern tut, was ihr beschlossen habt!"


Auf diese Aufforderung griff der Ritter von Eschenbach dem Pferde des Kaisers rasch in die Zügel. Während sich der Kaiser zur Gegenwehr setzte, hieb ihn Ritter Balm mit dem Schwert über Stirn und Auge. Da rief Albrecht dem Sohn seines Bruders zu: "Hilf mir, lieber Neffe!" - "Jawohl, so will ich dir helfen!" - gab dieser zur Antwort und stieß dem kaiserlichen Oheim das Schwert so gewaltsam durch den Rücken, dass die Spitze aus der Brust herausragte.


Als die Mörder den Kaiser tot zur Erde stürzen sahen, ergriffen sie über Hals und Kopf nach verschiedenen Richtungen die Flucht. Ein altes Bettlerweib aber, welches die scheußliche Bluttat, an der Straße kauernd, mit angesehen hatte, näherte sich dem Sterbenden, legte seinen Kopf in ihren Schoß und suchte ihm zu laben, bis nicht lange darnach die Kaiserin Elisabeth mit ihrem Gefolge herbeikam und im Augenblick ihres entseelten Gemahls vor Entsetzen erstarrte.


Albrechts Leichnam wurde erst in das Kloster Wettingen gebracht und sodann in der Kaisergruft zu Speyer beigesetzt.


Hierauf erfolgte das damals überaus strenge Strafgerichtsverfahren, während sich andernteils der biblische Fluch an den Schuldigen in erschütternder Weise erfüllte und zugleich kund gab, wie schauerlich oftmals die Macht des Gewissens auftritt. Von den genannten Mördern ist nur Rudolf von der Wart eingefangen, auf das Rad gebunden und unter den schrecklichen Foltern langsam zu Tode gemartert worden. Nach ihm wurden noch viele der Mitverschworenen hingerichtet.


Ulrich von Balm ist zwar entkommen, hat aber durch seine Mitschuld an jener Bluttat in seinem Gewissen einen so grausamen Wurm des Leides und der reue in sein dunkles Versteck mitgenommen, dass er Tag und Nacht keine ruhige Stunde mehr fand und in kurzer Zeit bis zum Skelett abgezehrt und verkümmert ein qualvolles Ende nahm.


Walter von Eschenbach hatte sich vermummt in das Gebirge geflüchtet und sich da bei einem Bauern als gemeiner Knecht oder Hirte nehmen lassen. Hier blieb er wohl unentdeckt, verlor aber gleichfalls allen Frieden der Seele, siechte in Kummer und Herzleid elend dahin, sank vor der Zeit auf das Sterbelager und bekannte erst hier unter Strömen von Reuetränen, wer er eigentlich sei und dass er an der fluchwürdigen Ermordung des Kaisers Albrecht teilgenommen habe.


Johann von Schwaben, nach seiner ruchlosen Tat Parricida, Vater- oder Verwandtenmörder genannt, irrte nach vollbrachter Schandtat verzweiflungsvoll in Wald und Wildnis herum und erschrak vor seinem eigenen Schattenbild. Er hüllte sich in Mönchstracht und floh endlich nach Italien, wo er im Augustinerkloster zu Pisa, nach anderen aber auf der Burg Eigen als Büßender in gänzlicher Dunkelheit gelebt und ein hohes Alter erreicht haben soll.


Der Fluch des Himmels, der ihn ob seiner Missetat getroffen, hat sich als Nachhall des Unglücks auf seinen Sohn Lathonius oder Lothar erstreckt. Der Geschichtsschreiber Thomas Ebendorfer von Haselbach sagt: Eines Tages erschien zu Wien am neuen Markt ein blinder Bettler mit jungen, frischen Gesichtszügen, aber kreideweißen Harren und zog die Aufmerksamkeit aller Bewohner der Hauptstadt auf sich. Dieser bettelnde junge Greis oder greise Jüngling versammelte täglich durch anziehende Lieder aus der Vorzeit und durch die vielfach aufgeputzte Kunde seiner verhängnisvollen Abkunft eine große Menge Neugieriger um sich und wurde alsbald der Gegenstand des allgemeinen Stadtgespräches.


Bei der den Bewohnern angeborenen Liebe zur Mildtätigkeit lässt es sich erachten, dass dem unglücklichen Sprössling eines tief gefallenen Vaters, dessen schwere Schuld er unschuldig mitbüßen musste, ein reichliches Almosen zugelassen sein wird. Es hieß also bei ihm nicht, was Schiller von seinem flüchtigen Vater Parricida schreibt: Ihr stoßt mich von euch - trostlos in Verzweiflung!"

 

Textquelle: Zeitspiegel: “Eine” chronologische Ährenlese aus der österreichischen Völker- und Staaten-Geschichte. Zur Belehrung und Erheiterung für die reifere Jugend. Von Joseph Alois Moshamer 1866

Bildquelle: "Alt- und Neu-Wien. Geschichte der Kaiserstadt und ihrer Umgebungen, etc" Wien, 1880.

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