Das Raubrittertum gab es häufiger als gedacht. In Deutschland gab es etliche solcher Rebellennester, die den Kaufleuten und Bauern das Leben schwer machten und nicht zimperlich waren, durch Brandstiftung, Mord und Raub ihren Lebensunterhalt zu erstreiten. Bekannte Orten von Raubrittern waren beispielsweise Burg Hausfreden, Burg Hanstein oder Altmannsteiner Burg. Hier nun eine Geschichte über ein adeliges österreichisches Geschlecht, das durch seinen Entschluss, trotz vorhandenen Vermögens durch Kriegszüge Macht und Geld zu vermehren. Doch lange überlebten solche Raubritternester nicht, wie auch folgende Geschichte lehrt:
Die Chuenring [andere Schreibweise auch: Kuenring]
Als der Herzog Leopold VI. von den Badenbergern, mit dem Beinamen der Glorreiche, auf Ansuchen des Kaisers Friedrich II. von Hohenstaufen nach Italien zog, um den Frieden mit dem Papst Gregor VII. zu vermitteln, was ihm auch gelang, erkrankte er in St. Germano und endigte sein tatenreiches und ruhmwürdiges Leben im Jahr 1230.
Er hatte während seiner Abwesenheit dem Landmarschall Heinrich von Chuenring die Regentschaft und die Aufsicht über seinen noch minderjährigen Sohn Friedrich
übertragen, in der Hoffnung, dass er sowohl seine Herzogtümer Österreich und Steiermark als auch den jungen Prinzen unter die getreueste und sorgsamste Obhut gestellt habe.
Allein die Menschengeschichte ist überaus reich an belehrenden Beispielen der überraschendsten Art und zeigt, wie oftmals erst eine günstige Gelegenheit zum Probierstein des Charakters geworden ist und wie oftmals sie Schlangen aus Eiern gebrütet hat, welche man für Taubeneier hielt.
Der Land- und Erbmarschall Heinrich von Chuenring und sein Bruder Hadmar besaßen zehn ansehnliche Burgen und Schlösser in Österreich und wurden - wie es etwas derb in einer Chronik heißt - "die getreuen Hunde
Österreichs" genannt. Als aber die Todesbotschaft aus St. Germano eintraf, die ganz Europa erschütterte, haben in den
Herzen der beiden Chuenringer nur zu bald andere Erregungen angeschlagen und da Gedanken und Gefühle aufgerüttelt, welche schwarz gefiedert waren.
Heinrich von Chuenring wurde in der Stunde zum offenen Staatsverräter, als ihn der zwanzigjährige Herzog Friedrich II.,
der Streitbare, der Regentschaft entheben und die Zügel der Regierung selbst in die Hand nehmen wollte. Er ließ, von seinem Bruder und Mitverweser des Reiches, Hadamar, kräftig unterstützt, den
herzoglichen Schatz, Friedrichs Erbe, nach den festen Donauburgen Dürnstein und Aggstein schaffen, begab sich mit dem
herzoglichen Siegel und Wappen dahin und erregte zu gleicher Zeit in vielen Ortschaften einen gefährlichen Aufstand.
Um die geraubten und eigenen Schätze zu vermehren und sich unter einem eben so reich als furchtbar zu machen, plünderten diese treu- und ehrvergessenen
Brüder Städte und Dörfer, beraubten noch überdies zur schreckvollen Geißel der kaufmännischen Schiffe und Flöße, welche aus Schwaben und Bayern nach Wien
steuern wollten. Sie bemächtigten sich der Stadt Zwettl und bestimmten sie ihrer festen Mauern wegen zu einem Hauptwaffenplatz. Auch lag es in ihrem
Kriegsplan, viele Orte gänzlich zu verheeren und alles räuberisch an sich zu raffen, was ihnen als Mittel zum ruchlosen Zweck dienen konnte. So verwüsteten sie die ganze Gegend von Weitra bis Krems, erhielten Unterstützung von dem böhmischen Kronprinzen Wenzel I. und hatten alle Ursache, sich auch kräftige Hilfe von Seite des ungarischen Königs
Andreas zu versprechen, da der Herzog Friedrich II. eben mit ihm zerfallen war.
Während sich der junge Löwe zum Sprung und Angriff seiner Feinde anschickte, wir wollen sagen, während sich der "streitbare" Friedrich II. von Österreich mit aller Kraftanstrengung zum offenen Krieg rüstete, um die fluchwürdigen Räuber und Empörer mit ihrem Anhang zu Boden zu schmettern,
veränderte er auch das österreichische Wappen. Er nahm anstatt eines Adlers mit der Fahne: "einen weißen Querbalken mit roten Felde" - und dieses von ihm erkorene Wappen und Landessiegel ist fortan das Landeswappen Österreichs bis auf den heutigen Tag
geblieben.
Als nun die treubiederen Österreicher sahen, in welch bedrängnisvoller Lage und Gefahr
der würdige Sohn und Nachfolger des unvergesslichen Herzogs Leopold VII. schwebe, ermannten sie sich dankbar in ihrem Pflichtgefühl und errichteten sich durch Begeisterung für die gerechte
Sache, durch Opferwilligkeit und Tatenmut ein glänzendes Denkmal unvergänglichen Ruhmes. Wie die Chronisten versichern, hat es alsbald sogar an Waffen
gefehlt, um alle diejenigen schnell wehrhaft machen zu können, die sich bereit erklärten, mit Schwert oder Lanze, Morgenstern oder Bogen gegen die Feinde des Herzogs ins Feld zu ziehen.
Der treuanhängliche Adel wie der wohlhabende Bürgerstand legten reiche Gaben auf den Altar des bedrängten Vaterlandes und schickten ihre kampfmutigen Söhne und Enkel oder Mündel in Friedrichs Lager. Die Geistlichkeit trug nach Kräften das ihrige bei und griff nach damaligen Gebrauch zum Teil selbst gegen
das grobe Unrecht zu den Waffen, während die Kaufleute nicht zurückstehen wollten und dem Landesfürsten beträchtliche Summen anboten, ohne Zinsen zu verlangen.
Bei diesen und anderen Mitteln konnte es kaum fehlen, dass sich der Sieg bald wieder auf die Seite des Rechtes neigen werde. Herzog Friedrich II., selbst ein mutiger Kämpfer, warf die
Chuenringer, wo er sie traf, wie Spreu auseinander, durchrannte die starken Mauern von Zwettl und bekam den Landmarschall Heinrich gefangen.
Dagegen entrann der riesige und bärenstarke Hadmar von Chuenring mit dem Kern seiner Streiter und warf sich in die Mauern der Donau-Festen Aggstein und Dürnstein, welche für unbezwingbar gegolten haben.
Nunmehr nötigte Hadamar, der aus der Höhe von Aggstein den Donaustrom beherrschte, jedes Schiff oder Floß, das mit reicher Ladung herabkam, anzulanden, um
"bemautet", also beraubt zu werden.
Wie aber der Krug sprichwörtlich zuletzt am Brunnen zerbricht, so ist es endlich diesem "bodenlosen Eimer am Wasser" ergangen. Da Hadamar, der unersättliche, die Güter der Schiffe jedes Mal selbst durchmusterte und das Beste auserwählte, so kam ein Kaufmann auf den Gedanken, ihm
bei einer solchen Gelegenheit eine arglistige Falle zu legen.
Nachdem er bei dem Herzog Friedrich um die Erlaubnis, seinen Kriegsplan ausführen zu dürfen, angesucht und auch erhalten hatte, eilte er nach Regensburg, kaufte dort kostbare Stoffe ein, packte
sie in ein Schiff und ließ in dessen unterem Raum, als ein zweiter Ulysses, etwa dreißig wehrhafte und handfeste Reisige sich verbergen.
Als nun das Lastschiff gegen Aggstein heran ruderte, ertönte, wie sonst immer, die schauerliche Burgglocke und ein
Donnerruf durch das Sprachrohr gebot dem Fahrzeug die unverzügliche Landung. Sofort eilte Hadmar von seinem hohen Felsennest herab, bestieg das Schiff, besah sich die herrlichen Waren und ließ
alles das, was seinen Beifall fand, an das Land schaffen, während er selbst noch länger verweilte.
Da ersah sich der schlaue Kaufherr den rechten Augenblick, winkte seinen Ruderknechten, sogleich wie unvermerkt vom Ufer zu stoßen und rief sodann die
Bewaffneten aus ihrem dunklen Versteck hervor. Diese stürzten mit Blitzesschnelle auf den Raubvogel, welcher hierauf in Fesseln nach Wien geführt wurde.
Beide Brüder gaben in ihrer längeren Kerkerhaft aufrichtige Beweise von Reue und bußfertiger Zerknirschung. Aus diesem Grund sowohl, als auch deshalb, weil sie sich einst um das Land so
hochverdient gemacht hatten, schenkte ihnen der Herzog Friedrich II., dem die schöne Fürstentugend der Großmut nicht fremd war, das verwirkte Leben und auch die Freiheit, jedoch unter der
Bedingung, dass sie ihm einige Schlösser abtraten, ihre Söhne als Geiseln stellten und Ersatz für die geraubten Schätze leisteten.
Es hatte sich aber Hadmar auch noch mit der Kirche zu versöhnen, da er von Gebhard, dem Bischof von Passau, zu dessen Sprengel damals Wien gehörte, mit dem Bann belegt worden war. Sofort pilgerte
der freigelassene Sünder barfüßig und im härenen Bußgewand nach Passau, Todesgram über seine schweren Missetaten im Herzen tragend. Diese Zentnerlast
erdrückte den armen Büßer mitten auf dem Weg. Er konnte an sein vorgestecktes Ziel auf Erden nicht mehr gelangen, erreichte es aber sich im Himmel, da ihm reue und Leid den Pfad dahin gebahnt
haben.
[Diese Geschichte wird zugleich im Werk "Geschichte des österreichischen Kaiserstaates" von Leopold Hassler, Wien 1842, bestätigt.]
Bildquelle: Border Lances. A romance of the Northern Marches in the reign of Edward the Third. By the author of “Belt and Spur”; 1886 London.
Textquelle: Zeitspiegel: “Eine” chronologische Ährenlese aus der österreichischen Völker" von Joseph Alois Moshamer, Wien 1866
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