· 

Gepanschter Tee aus London

gepanschter Tee aus London 19. Jahrhundert

In diesem Artikel geht es über fehlende Standards und Sicherheitskontrollen in Deutschland, die in England im 19. Jahrhundert allmählich erst entstehen. Der Teehandel, der damals fast komplett über England abgewickelt wurde, ist ein gutes Beispiel für fehlende Qualitätskontrollen von Importprodukten. Denn selbst verloren geglaubte Waren von gekenterten Schiffen tauchen in englischen Zolldepots in fragwürdigem Zustand wieder auf und werden weltweit exportiert. Dieser historische Artikel handelt über verunreinigte Teesorten, die sogar schädlich für die Verbraucher waren.

 

Ungesunder Tee aus London


Die unter dem Titel: "Gesundheit, Zeitschrift für körperliches und geistiges Wohl" seit etwa einem Jahr von Professor C. Reclam in Leipzig herausgegebene Zeitschrift enthält in Nr. 22 eine einem englischen Blatt (Sanitary Record) entnommene Mitteilung über Teeverfälschung, von welcher auch wir unsere Tee trinkenden Leser in Kenntnis setzen möchten.


Die vor Kurzem in einem englischen Journal enthaltene Mitteilung, dass in den Zollspeichern der City of London große Mengen ungesunden Tees lagerten, hat den ärztlichen Gesundheitsbeamten der City, Dr. Saunders, veranlasst, zur Feststellung der Wahrheit dieser Angabe eine Untersuchung anzustellen. Dr. Saunders erhielt fünf Proben und jede derselben wird als "ungesund, gefälscht und untauglich für menschliche Nahrung" geschildert. Eine Probe bestand aus der bekannten "Maloo-Mischung", welche hauptsächlich von ausgezogenen, wieder getrockneten Teeblättern bereitet wird. Eine zweite Probe bestand aus Teestaub, welchem verschiedene fremde Stoffe, wie Sand und Farbstoffe beigemischt waren. Eine dritte Probe, welche verdorben und faulig war, war mit Quarz, fremden Pflanzenstoffen und Metallteilen gefälscht. Die nächste, eine schmutzig aussehende Substanz, enthielt Steine von der Größe einer Erbse. Und die fünfte Probe stellte einen Teil einer Teeladung von dem vor 18 Monaten an der portugiesischen Küste gescheiterten Schiff "Gordon Castle" dar, die man gerettet und wieder getrocknet hatte.


Wir haben hier einen sprechenden Beweis für den Zustand, in welchem der Teehandel verfallen ist und für die Notwendigkeit strenger Maßregeln, um das Publikum vor dem abscheulichsten Betrug zu schützen, dass es schmutzigen Abfall statt gesunden Tees erhält. Die fünf von Dr. Saunders untersuchten Proben stellen nicht weniger als 1700 Kisten Tees dar.


Es ist ein Glück für das Londoner Publikum, dass eine so nützliche Körperschaft wie die "Commission of Sewers" besteht, deren Mitglieder nicht nur den Willen, sondern auch die Ermächtigung haben, dem Handel mit solchen untauglichen Waren Einhalt zu tun. Sie bewiesen dieses, indem sie ihren Anwalt beauftragten, sofort Schritte zur Zerstörung des von dem ärztlichen Gesundheitsbeamten als untauglich bezeichneten Tees zu tun.


So steht es in England, von welchem Deutschland seinen Tee zum größten Teil bezieht. Wird man uns etwa ungefälschten Tee über den Kanal senden? Reclam hat kürzlich von einem bedeutenden deutschen Teehändler vier Proben verschiedener Teesorten gekauft und bei deren Untersuchung die Überzeugung gewonnen, dass alle vier ausgelaugt und wieder getrocknet waren. Wo ist die Behörde, welche uns vor dieser Fälschung schützt?

 

Quelle: Zeitschrift des Allgemeinen Oesterreichischen Apotheker-Vereines von Allgemeiner Österreichischer Apothekerverein, Wien, den 1. Mai 1877; 15. Jahrgang

Sybolbild Abschluss Blogartikel gepanschter Tee London

Weitere interessante Blogartikel: