In diesem Blog-Artikel wollen wir Euch wieder einen lustigen, interessanten oder informativen Beitrag aus einer historischen Zeitung, eines antiquarischen Buches oder eines Dokuments vorstellen. Denn wir sind der Meinung, dass auch kuriose Ereignisse oder Begebenheiten nicht in Vergessenheit geraten sollen:
"Westwärts von der Wiener Vorstadt Margareten bis in die Nähe des kaiserlichen Lustschlosses Schönbrunn befand sich ehemals ein dunkler Forst, der den Namen das "Gatterhölzel" führte und häufig ein Schlupfwinkel für Taugenichtse, Gauner und Wegelagerer war. Eines schönen Morgens fasste Kaiser Joseph II., der den bösen Ruf dieses Eichenwäldchens gar wohl kannte, sich aber auch hier, wie sonst überall, von der Wahrheit der Gerüchte selbst überzeugen wollte, den kühnen Entschluss, ohne alle Begleitung und Waffen einen Sparziergang in dieses unheimliche Labyrinth zu machen.
Der hohe Spaziergänger hatte sich in diesem Gehölz buchstäblich verirrt, schlug bald diese, bald jene Richtung ein, um einen Ausgang zu finden und sah plötzlich einen wüsten und zerlumpten
Waldschleicher mit einem gewaltigen Knotenstock auf sich zu kommen. Dieser unheimliche Mensch bat um ein Almosen, allein der Kaiser verlangte, dass er ihm erst einen Weg nach Schönbrunn zeige,
dann werde er ihn zufrieden stellen. Der Bettler nickte und tat, als ob er Folge leisten wolle, führte aber den Verirrten noch tiefer in den Wald, wo sich abermals ein zerlumpter, robuster,
gleichfalls mit einem tüchtigen Stock bewaffneter Bursche zu ihnen gesellte. Als der Kaiser bemerkte, dass ich beide Buschklepper mit Blicken und Mienen verständigten und er in augenfälliger
Lebensgefahr schwebte, nahm er gegen sie voll Mut und Entschlossenheit eine Achtung gebietende Haltung an und sprach: "Ihr findet nichts bei mir an Geld und Wertsachen - seht mich gut an; ich
wohne in Schönbrunn und fordere euch auf, mir den nächsten Weg dahin zu zeigen!"
Diese mit gebieterischer Stimme und Miene begleiteten Worte wirkten elektrisch auf die zwei Strolche; der eine von ihnen machte sich im nahen Gebüsch unsichtbar, der andere humpelte voraus und
verließ den Kaiser am Rande des Waldes, der nicht lange darnach beinahe gänzlich ausgerottet wurde."
Text-Quelle: Zeitspiegel: Eine chronologische Ährenlese aus der österreichischen Völker- und Staaten-Geschichte
Zur Belehrung und Erheiterung für die reifere Jugend
von Joseph Alois Moshamer 1866
Bildquelle: "Forest Pictures in the Adirondacks. With Original Poems by Alfred B. Street" 1865, New-York
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