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Die Schutzwaffen: Der Helm - Teil 1

So heiß das Streben der Waffenschmiede in Jahrhunderten auch war, den Mitteln des Angriffes wirksame der Abwehr und umgekehrt entgegenzustellen, so fand dasselbe doch stets seine Grenzen in dem technischen Vermögen, und in dem allmählichen Zunehmen des letzteren erkennen wir die Hauptursache der so häufigen und oft drastisch erscheinenden Formenwandlungen. Am Ausgang der antiken Zeit schien es, als hätten die Angriffsmittel jene der Abwehr weit übertroffen. Das Schwert der Germanen, Gallier etc. wurde kräftiger im Eisen, seine Klinge länger, die Stangenwaffe stärker und wirksamer, die Schlagwaffen wurden allgemeiner, die Fernwaffen, Bogen, Schleuder, Wurfspieß, gelangten zu größerer Bedeutung. All diesen furchtbaren Angriffswerkzeugen hatte man nur höchst ungenügende Schutzmittel entgegenzustellen: einen kleinen Helm, der in seiner Form noch ein Vermächtnis aus der späten römischen Zeit darstellte, ein Lederkleid, mit Plättchen oder Schuppen aus Eisen, Bronze oder Horn besetzt, und einen Schild, den ein Axthieb trennen konnte. Die eifrige Sorge, dieses empfindliche Missverhältnis zu beheben, findet sich nirgends klarer vor Augen gestellt, als wenn wir die Wandlungen verfolgen, welche der Helm vom frühen Mittelalter bis in die Neuzeit in seiner Form erfahren hat.

 

Die Hauptbedeckung der italischen Krieger am Beginn des Mittelalters bestand aus einer halbkugelförmigen, aus mehreren Stücken zusammengenieteten Haube aus Bronze oder Eisenblech, an deren Unterrand eine flache, schmale Krempe angesetzt war. Über die Mitte von vorn nach rückwärts verbreitete sich ein blattartiger, bemalter Kamm, eine dunkle Erinnerung an den alten Helm aus der Blütezeit Roms. (Fig. 1.) Es ist dies mit geringen Veränderungen dieselbe Form, wie wir sie von der Hallstattperiode her antreffen, somit von einem Zeitraum, der fünf Jahrhunderte vor unserer Zeitrechnung zu setzen ist. Weit einfacher war die kriegerische Kopfbedeckung der barbarischen Völkerschaften des 5. Jahrhunderts, sie bestand aus einer niederen, konischen Haube, aus mehreren Stücken Bronze oder Eisen zusammengesetzt, von deren Rand aber ein Kettengeflecht oder ein mit Ringen benähter Stoff herabhing und sich unter dem Kinn an den Hals schloss. Die älteste Form einer Halsbrünne, die ihr Original im Orient gefunden hatte.

 

Die wenigen in Deutschland gefundenen Helme des frühesten Mittelalters zeigen etruskische oder asiatische Formen, was darauf hindeutet, dass der klassisch-antike Einfluss bei den Germanen nur gering gewesen ist. Die Heruler und Longobarden waren die ersten, welche sich eiserner Helme bedienten; das hatte seinen Grund, weil beide Stämme an den Südabhängen der Alpen eine alte Eisenindustrie vorfanden. Unter den Germanen waren nur die Vornehmeren mit Helmen versehen, die aus Kupfer- und nicht selten aus Hornplatten bestanden, welche mit eisernen Spangen zusammengehalten wurden. Ein solcher aus Horn gebildeter Helm wurde in einem Grabhügel bei Monsyjah in Derbyshire gefunden.

Fig. 1. Bronzehelm. Sesto-Calende. Jahrhundert. Museum der Akademie zu Mailand. Fig. 2. Germanischer Helm, sogenannter Eberhelm

Fig. 1. Bronzehelm. Der Helm, ohne den hier dargestellten Kamm, gefunden in einem Grab bei Sesto-Calende. Vielleicht 4. Jahrhundert. Museum der Akademie zu Mailand. Nach Viollet-le-Duc.

Fig. 2. Germanischer Helm, sogenannter „Eberhelm“, gefunden in einem Grabhügel bei Monyjash (Derbyshire). Die Spangen sind aus Eisen, teils mit Silbereinlagen geziert; die Füllung besteht aus Hornplatten. Die Eberfigur ist in Eisen geschnitten, mit Augen aus Bronze gebildet. 7. Jahrhundert. Nach Beck, „Geschichte des Eisens“.

 

Derselbe zeigt bereits ein Naseneisen, auf welchem ein Kreuz in Silber sichtlich ist. Auf dem Scheitel zeigt sich das in Eisen geschnittene, deutliche Bild eines Schweines. (Fig. 2.) Es ist damit das Original eines „Eberhelmes“ gefunden worden, der eine so bedeutende Rolle in der heidnisch-christlichen Übergangszeit bei den Deutschen spielt und der wiederholt im Beowulf-Lied erwähnt wird. Wir sehen damit auch die ersten Anfänge des Zimiers, dessen deutscher Ursprung sich hier deutlich erweist1. Vom 5. bis ins 9. Jahrhundert ist in den italischen Ländern in dem Streben, das Haupt zu schützen, der orientalische Einfluss noch gering, die Halsbrünne, in der Form einer Kapuze, die mit dem Haubert in Verbindung kam, wird angenommen, der Helm aber, besser gesagt: eine Art Eisenhaube, kann ihren klassisch antiken Ursprung nicht verleugnen. In den Miniaturen des Psalterium aureum von St. Gallen vom Ende des 8. Jahrhunderts tragen die Krieger Helme mit weit ausladender Krempe und tiefem Nackenschirm. An der Stirn ist die erstere nach aufwärts geschnitten und bildet vorn einen Knopf. Gemeine Krieger tragen den Helm ohne Kamm, vornehme auch mit jenem blattartig geschnittenen Kamm, wie er aus der Römerzeit her üblich war. Ganz ähnlich finden wir den Helm in den Miniaturen der Bibel von San Paolo fuori le mura vom 9. Jahrhundert dargestellt, ebenso im Evangelium des Lothar und in der Bibel Karls des Kahlen im Museum des Louvre. Im 10. Jahrhundert wird ersichtlich der antike Einfluss schwächer, die Helme werden hoch und spitzig mit Nackenschirmen, welche beiderseits sich bis über die Ohren verbreiten. Diese kegelförmige Gestalt scheinen sie, wie wir aus dem Manuskript des Prudentius ersehen können, um das Jahr 1000 erhalten zu haben. Bis in jene Zeit war der Helm aus mehreren Stücken zusammengesetzt und vernietet und wohl auch aus Leder gefertigt, nur der Stirnreif und die über das Scheitelstück laufenden Spangen waren aus Metall, eine Annahme, die sich durch zwei in England gefundene derlei Helme auch bestätigt hat.

 

Es ist nun einleuchtend, dass eine derartige Kopfbedeckung einen nur geringen Schutz gegen die damaligen Angriffswaffen gewähren konnte. Sie scheint auch unter dem Kriegsvolk in nicht besonderer Schätzung gestanden zu haben, denn unter den Germanen war der Helm nicht allgemein im Gebrauch gewesen und in Miniaturen des 10. Jahrhunderts finden wir häufig das Fußvolk ohne Helm, nur mit dem Haubert ausgestattet. Wesentliche Verbesserungen des Helmes lassen sich erst um die Mitte des 10. Jahrhunderts erweisen und es ist hier der orientalische Einfluss unverkennbar. Wir sehen im Teppich von Bayeux die Angelsachsen wie die Normannen gleich ausgerüstet. Sie tragen die mit enganschließender Kapuze ausgestattete Brünne aus Leder, mit Blechstücken oder Ringen benäht. Über der aufgeschlagenen Kapuze trägt der Krieger einen sphärisch spitz nach oben zulaufenden Helm, das Vorbild der späteren Beckenhaube. Das älteste Beispiel dieser Form ersehen wir in dem Helm des Heiligen Wenzel im Schatz des St. Veitsdomes zu Prag. (Fig. 3.) Er ist noch aus mehreren Stücken zusammengenietet, an seinem Rand vorn ist eine Spange, Naseneisen, nasal, angenietet, rückwärts befindet sich ein ähnlicher breiter Fortsatz. Diese Form ist orientalisch, sie hat sich unter den Arabern und den persischen und turanischen Völkern bis ins 17. Jahrhundert erhalten. In den nördlichen Ländern und in Italien treffen wir im 11. Jahrhundert den Helm bei gleichfalls konischer Gestalt, meist auch mit dem Naseneisen. Im Norden erblicken wir ihn häufig aus Kupfer in zwei Hälften gefertigt und mit Bronze verziert. (Fig. 4.) Wiewohl gegen die Schlagwaffe noch nicht ausreichend deckend, war diese Helmform schon als ein erheblicher Fortschritt zu betrachten. Es ist darum erklärlich, dass sich dieselbe bis ins 12., ja selbst ins 13. Jahrhundert hinein erhielt. (Fig. 5.) Mit dem Ende des 11. Jahrhunderts erscheinen die ersten derlei Helme aus einem Stück getrieben. (Fig. 6.) Diese Tatsache beweist eine enorme Entwicklung der Waffenschmiedekunst in jener Zeit, wenn man die hierbei erforderliche Fertigkeit in Betracht zieht. Ein scheibenförmiges, entsprechend dickes Stück reinen Eisens musste im glühenden Zustand mittelst schwerer Fallhämmer vorerst in eine konkave Form gebracht und dann am Amboss mittelst des Handhammers ausgefertigt werden. Diese Kunst, wenn wir sie so nennen wollen, wurde aber im Orient weit vor dem 10. Jahrhundert geübt.

 

1 Lindenschmit, Altertümer unserer heidnischen Vorzeit. — Beck, Geschichte des Eisens. — Beowulf, v 305, 1464.

 

Helm des Herzogs Wenzeslaus des Heiligen von Böhmen (ermordet 938) Fig. 4. Helm aus getriebenem Kupfer, aus zwei getrennten Hälften bestehend, die zusammengenietet sind.

Fig. 3. Der an der Rückseite des St. Wenzel-Altars zu St. Veit in Prag aufbewahrte Helm des Herzogs Wenzeslaus des Heiligen von Böhmen (ermordet 938).

Fig. 4. Helm aus getriebenem Kupfer, aus zwei getrennten Hälften bestehend, die zusammengenietet sind. Die kronenförmige Umrahmung sowie die große Federhülse tragen Spuren von Vergoldung. Der Helm wurde zu Giez in der Provinz Posen aus dem Boden gegraben, deren Feste 1039 von den Böhmen zerstört wurde. 12. Jahrhundert. Museum der Freunde der Wissenschaft in Posen.

 

Der Verlauf des 12. Jahrhunderts ist von einem fieberhaften Streben begleitet, die Helmform zu verbessern. Das Scheitelstück erscheint in allen Formen sphärisch spitz zulaufend, kegelförmig, halbkugelförmig, selbst zylindrisch mit flacher Decke. Am längsten erhält sich die erstere als „normannischer Helm“, eine Bezeichnung, die, wie wir oben gesehen haben, nicht ganz zutreffend ist. Allen diesen Formen ist das Naseneisen eigentümlich, das im Verlauf immer länger und breiter wird, ja in Deutschland tritt selbst die feste Gesichtsblende, das Visier, auf. Am deutlichsten beobachten wir dieses Herumtasten der Waffenschmiede in den Kopien der Miniaturen, welche aus dem hortus deliciarum Herrads von Landsberg stammen. Bemerkenswert in dieser Periode ist die allgemeiner werdende Sitte, den Helm mit Gold und Edelsteinen zu verzieren.

Helm Heinrichs des Löwen, Herzogs zu Sachsen (gest. 1195). Fig. 6. Helm aus Eisen, aus einem Stück getrieben, vom Ende des 11. oder dem Anfang des 12. Jahrhunderts.

Fig. 5. Helm Heinrichs des Löwen, Herzogs zu Sachsen (gest. 1195). Sammlung des Herzogs von Cumberland in Gmunden.

Fig. 6. Helm aus Eisen, aus einem Stück getrieben, vom Ende des 11. oder dem Anfang des 12. Jahrhunderts.

 

Inzwischen aller dieser regellosen Versuche hatten die praktischen Erfahrungen im ersten und zweiten Kreuzzug in erstaunlich kurzer Zeit eine Wandlung in der Helmform hervorgebracht, wie sie drastischer kaum zu denken ist. Der Helm wird nun plötzlich zylindrisch oder auch halbkugelförmig und so umfangreich, dass er nun nicht mehr auf der Stirn aufsitzt, sondern aufgestülpt werden muss, wobei das innen gepolsterte Scheitelstück auf der Kapuze des Hauberts lagert. Damit erscheint das Gesicht vollkommen durch die Helmwand gedeckt. Um das Sehen zu gestatten, werden Augenlöcher oder Sehspalten eingeschnitten; häufig werden auch Löcher für den hier allerdings sehr nötigen Luftzutritt eingeschlagen. Damit war der Topfhelm geschaffen, der in mannigfachen Formenwandlungen von der Mitte des 12. bis ins 14. Jahrhundert die Kopfbedeckung des ritterlichen Kriegers bildete. Der Topfhelm verdankte sein Entstehen der überaus gefährlichen Wirkung der sarazenischen Streitkolben und Beile, gegen welche sich die etwas schwerfälligen Reiter im Heer der Kreuzfahrer anfänglich gar nicht zu wehren vermochten. Die ersten derlei Topfhelme schlossen sich noch ziemlich der Kopfform an. (Fig. 7.) Das einem Türchen gleich sich öffnende Visier war vorn aufgetrieben, um das Atmen zu erleichtern, und besass zum Ausblick ein Drahtgitter oder auch nur einen einfachen Sehspalt. (Fig. 8, 9.) Die Topfhelme der Franzosen und Engländer stellen sich in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts mit vollständig flacher Scheitelplatte dar, während jene der Deutschen mehr abgerundet erscheinen.

Topfhelm mit konischem Scheitelstück. Übergang aus dem normannischen Helm. Fig. 8. Hoher Topfhelm mit Absteckvisier und Resten des alten Kettengehänges.

Fig. 7. Topfhelm mit konischem Scheitelstück. Übergang aus dem normannischen Helm. Aus der Kirche zu Faversham. Mitte des 12. Jahrhunderts. Nach Planché.

Fig. 8. Hoher Topfhelm mit Absteckvisier und Resten des alten Kettengehänges. Stammt aus der Kirche in Norfolk. Alexandra-Palast. 12. Jahrhundert. Nach Planché.

 

(Fig. 10.) Gleich mit dem ersten Auftreten der Topfhelme finden sich in den Handschriften Andeutungen von einer Befestigung an den Haubert mittelst Lederriemen. Häufig wird in den Gedichten des „Aufbindens“ der Helme Erwähnung getan. Auch die normannischen Helme wurden übrigens im Nacken mittelst Bändern an die Brünne genestelt, wie wir noch an Siegeldarstellungen ersehen können. Gegen das Ende des 13. Jahrhunderts werden die Scheitelplatten konisch und selbst der ganze Helm zuweilen zuckerhutförmig gebildet (Fig. 11), die Wand erhält im Nacken eine leichte konkave Einbiegung. Am deutlichsten erblicken wir die um 1340 etwa übliche Form des Topfhelmes in den Abbildungen des Codex Balduini Trevirensis, über welche wichtige Quelle zur Geschichte des Waffenwesens wir später noch zu sprechen haben werden. In Italien treten zuerst an Topfhelmen die Helmfenster (Luftgeber) auf, es sind dies vierseitige Öffnungen von ungefähr 10 bis 12 Zentimeter Seitenlänge, welche an der (heraldisch) rechten Wandseite mittelst eines eisernen Türchens geschlossen und mittelst eines kleinen Riegels gesperrt wurden. Auch diese Vorrichtung zeugt wieder von Bemühungen, dem Träger die nötige frische Luft zuzuführen.

Fig. 9. Topfhelm mit Helmfenster. Ende 12. Jahrhundert. Topfhelm Eduards, des Schwarzen Prinzen (1330—1376), auf dessen Grabmal in der Kathedrale zu Canterbury.

Fig. 9. Topfhelm mit Helmfenster. Ende 12. Jahrhundert. National Collection in London. Nach Planché.

Fig. 10. Topfhelm Eduards, des Schwarzen Prinzen (1330—1376), auf dessen Grabmal in der Kathedrale zu Canterbury. Nach Planché.

 

Um dieselbe Periode tritt eine Sitte entschiedener hervor, die, wie wir bei den Eberhelmen gesehen haben, unter den Deutschen schon durch Jahrhunderte üblich gewesen war, die Helme am Scheitel mit figürlichen Zeichen zu schmücken. Diese Zeichen werden nun höher, auffälliger und haben zunächst den Zweck, den Träger, der durch das Visier oder die Helmwand häufig vermummt war, vor den Seinigen kenntlich zu machen. Das Selbstgefühl führte dahin, dieses Erkennungszeichen geachtet zu erhalten. Es bestand aus figürlichen Zeichen in den verschiedensten Gestalten, anfänglich aus freier Wahl. Später wurden dieselben ein bleibendes Zeichen des Mannes und seiner Sippe und wurden zur „Wappenfigur“, als welche sie auch auf den Schilden erscheinen. (Fig. 12, 13.)

Topfhelm aus der Kathedrale zu Hereford. 14. Jahrhundert. Fig. 12. Topfhelm mit Rest eines Zimiers, das wahrscheinlich einen Adlerkopf darstellte.  14. Jahrhundert.

Fig. 11. Topfhelm aus der Kathedrale zu Hereford, später in der Sammlung Meyrik bewahrt. Gegenwärtiger Bewahrungsort unbekannt. 14. Jahrhundert. Nach Planché.

Fig. 12. Topfhelm mit Rest eines Zimiers, das wahrscheinlich einen Adlerkopf darstellte. Artillerie-Museum zu Paris. 14. Jahrhundert.

 

Diese Zeichen, Zimiere (cimiers) genannt, bestanden meist aus getriebenem Leder, das mit Leinwand beklebt wurde. Letztere erhielt sodann einen Kreideüberzug als Grund für die Temperamalerei oder Vergoldung. (Fig. 14). Diese Zimiere bildeten ebenso wie die Holztartschen und Pavesen, die Lederparschen für die Pferde, einen speziellen Arbeitsgegenstand des Schilterhandwerks. Die Spuren von derlei Zimieren finden sich bei alten Helmen in den Scheitelplatten ersichtlichen Löchern. In der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts ist die Ausstattung der Helme mit Zimieren für das Feld nicht allgemein üblich, wohl aber für das Turnier. Im Codex Balduini sehen wir nirgends in den Schlachtenbildern zimierte Helme, wohl aber solche auf Blatt 34, wo ein Gestech dargestellt ist. Betrachten wir den Topfhelm vom Gesichtspunkt des praktischen Gebrauches, so müssen wir bei aller Anerkennung eines Fortschrittes dennoch zugeben, dass er dem Träger unausstehlich werden musste. In der Sonnenhitze lief der Reiter Gefahr, unter seinem Helm zu ersticken. Er wurde auch in der Tat nur im Kampf selbst aufgestülpt, sonst entweder von den Knappen in den Händen nachgetragen oder mittelst einer Kette an den Sattel gehängt, deren anderes Ende an dem Haubert befestigt war. Um die Last desselben leichter zu tragen, wurden seine Wände derart verlängert, dass der Helm auf den Schultern aufsaß; damit war nur nach einer Richtung hin Abhilfe getroffen. Die peinigende Lage führte, wie wir gesehen haben, schon am Ende des 13. Jahrhunderts dahin, die vordere Helmwand in Gesichtsgröße auszuschneiden und die Öffnung durch ein bewegliches Visier zu schließen, das entweder durch Entfernung der Scharnierstifte abzustecken oder in Bolzen nach auf- oder abwärts zu schieben war. Dadurch entstand das auf- oder abschlächtige Visier, welches häufig, um das Atmen zu erleichtern, mit Löchern versehen (gelocht) wurde. 

Helm mit Zimier des Königs Jakob I. von Aragonien (1206—1276). Orientalisierend.

Fig. 13. Helm mit Zimier des Königs Jakob I. von Aragonien (1206—1276). Orientalisierend. Armeria Real zu Madrid.

 

Der Topfhelm wurde anfänglich über einer stark gepolsterten Haube aus Leder (calotte) getragen, später, am Ende des 13. Jahrhunderts, trug der Reiter unter selbem eine niedere Beckenhaube (bacinet), an welcher ein Maschenpanzer, die Halsbrünne, befestigt wurde, welche bis auf die Schultern herabhing. Die älteren derlei Brünnen schließen noch dicht an den Hals an, die späteren des 14. Jahrhunderts fallen gerade herab. Letztere Art war von außerordentlichem Vorteil, denn nun musste sich jeder Hieb in den Hals auf dem lose herabhängenden Gewebe bis zur Unschädlichkeit abschwächen. An einer Seite der Vorderwand des Topfhelmes, gemeiniglich an der rechten, seltener an beiden Seiten, finden sich kreuzartig ausgeschnittene Löcher. Dieselben dienten, um den Helm an den Haubert zu befestigen (Fig. 10); dies erfolgte mittelst einer Kette, an deren Ende sich ein Knebel befand, der durch das Loch gezogen wurde.

 

Es ist interessant, die mannigfachen Bestrebungen zu verfolgen, welche dahin zielten, ein so plumpes, schweres Rüststück, wie es der Topfhelm darstellt, für den Träger leidlicher zu gestalten, ohne die vermeinten Vorteile einzubüßen. Schon im 2. Kreuzzug, zu welcher Periode die ersten Topfhelme von noch geringen Dimensionen vor Augen treten, sahen sich die Reiter genötigt, über den Helm einen Leinenstoff zu breiten, um die Erhitzung des Eisens im Sonnenbrand wenigstens zu mäßigen. (Fig. 15.) Dieser weit über die Schultern herabwallende Stoff, die Helmdecke, wurde bei längerem Tragen unter dem Einfluss der Witterung und des Lagerlebens beschädigt. Die Schussfäden trennten sich und es wurde daraus ein an den Rändern vielfältig eingerissenes schmutziges Gewebe.

Topfhelm mit Zimier von einer kleinen Reiterstatuette, ausgegraben auf der Insel Texel. Anfang des 14. Jahrhunderts

Fig. 14a. Topfhelm mit Zimier von einer kleinen Reiterstatuette, ausgegraben auf der Insel Texel. Anfang des 14. Jahrhunderts. Sammlung J. P. Six in Amsterdam. Nach van der Kellen.

Fig. 14b. Die Rückseite.

 

Wie später die Fahne, so bildete damals eine verrissene Helmdecke ein den Ritter ehrendes Zeichen seiner Tapferkeit. Sie wurde mit dem Helm und später dem Zimier typisch für den adeligen Reiter, ein Attribut seiner Mannhaftigkeit, die Kunst nahm diese herabhängenden Fetzen als stilistisches Motiv für ihre Darstellungen und so entstand die gezottete oder „gezaddelte“ Helmdecke (lambrequin), wie wir sie an heraldischen Darstellungen vom 14. Jahrhundert ersehen. Zuletzt wurden selbst neu gefertigte Helmdecken nicht anders als am Rand ausgezackt getragen, so sehr hatte sich eine ehrwürdige Tradition eingelebt. Am Ende des 13. Jahrhunderts schien manchem einzelnen die Beckenhaube mit der Halsbrünne für seinen Schutz genügend, aber der Topfhelm aus den Kreuzzügen war der Stolz des Ritters geworden, ein Standeszeichen gegenüber dem gemeinen Söldner oder Knappen unter der Eisenhaube. Da gab’s viele und zumal ältere, welche über der Beckenhaube einen Topfhelm aus Leder trugen, der mit Spangen aus Eisen und Metall verstärkt war. Aber auch die mannhaftesten litten unsäglich unter dem Druck des riesigen Topfhelmes und trachteten, sein Auflager auf einen anderen Punkt als den Scheitel zu übertragen. Damit entstanden die Lederwülste rings um die Beckenhaube, auf welchen der Helm nun aufruhte. Die Kunst bemächtigte sich auch dieser simplen Beigabe und stattete sie in schöner Zeichnung mit reichen Stickereien aus. Sie wurde zur Helmbinde, die später nur noch eine dekorative Bedeutung hatte. (Fig. 16.)

Topfhelm mit halbem Flug als Zimier und Helmdecke. Von einem Schild König Wenzels von Böhmen. 14. Jhd. Fig. 16. Helm des Georg Castriota, Fürsten von Albanien, genannt Skanderbeg (1403—1466)

Fig. 15. Topfhelm mit halbem Flug als Zimier und Helmdecke. Von einem Schild König Wenzels von Böhmen aus der Manessischen Handschrift nach von Eye, „Kunst und Leben der Vorzeit“. 14. Jahrhundert.

Fig. 16. Helm des Georg Castriota, Fürsten von Albanien, genannt Skanderbeg (1403—1466). Orientalisierend. Das Scheitelstück aus blankem Eisen, die Helmbinde wie das Zimier aus Kupfer, teils vergoldet. Auf der Binde liest man in gotischen Bandminuskeln in † pe † ra † to † re † bt (Ihesus Nazarenus † Principi Emathiae † Regi Albaniae † Terrori Osmanorum † Regi Epiri † Benedicat.) Der Ziegenkopf als Zimier weist auf ältere Zeit als das 15. Jahrhundert.